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Die verlorenen Minuten - BVB gelingt spätes "Wunder gegen Malaga"

Santana sorgt für historischen Dortmunder Sieg

Die verlorenen Minuten - BVB gelingt spätes "Wunder gegen Malaga"

Pure Freude: Felipe Santana erzielt das späte 3:2 für Dortmund.

Pure Freude: Felipe Santana erzielt das späte 3:2 für Dortmund. imago images

Nein, ich gehörte nicht zu jenen Zuschauern, die das Stadion damals vorzeitig verließen, weil der BVB beim Zwischenstand von 1:2 kurz vor dem Ende bereits so gut wie ausgeschieden war. Ich war schließlich beruflich da, musste arbeiten, während 65.000 Menschen um mich herum erst trauerten, dann hofften und schließlich staunten, jubelten, eskalierten.

Meine Tagesaufgabe bestand darin, die Einzelkritik der Dortmunder Spieler anzufertigen. Mit Schlusspfiff muss diese Arbeit in der Regel abgeschlossen sein, die Zeitungen und Magazinen wollen schließlich rasch gedruckt werden, damit sie morgens pünktlich zum Frühstück beim Leser auf dem Tisch liegen können. Normalerweise ist das ein Routine-Job, den ich zu diesem Zeitpunkt bereits x-Mal erledigt hatte. Natürlich, man liegt manchmal nicht 100-prozentig richtig in seiner Bewertung, es schleicht sich auch einmal ein Tippfehler ein - aber in der Regel verläuft die Produktion überwiegend glatt. Die Abläufe mit der Redaktion sind eingespielt, die Kommunikation mit den Kollegen ebenfalls.

Doch es gibt eben auch Abende, an denen nichts normal ist. Die nichts mit Routine zu tun haben. Weder für die Profis auf dem Rasen noch für die Fans noch für uns Journalisten. Denn wie vermutlich jeder fußballinteressierte Deutsche weiß, endete die Partie damals nicht mit einem Aus des BVB - sondern mit einem kaum mehr für möglich gehaltenen Erfolg. Binnen zwei Minuten drehten die von Jürgen Klopp trainierten und bis dahin an diesem Tag extrem ungefährlichen Borussen damals durch Tore von Marco Reus und Felipe Santana - letzteres übrigens aus leicht, aber auch nur ganz, ganz leicht, na gut, doch eher: sehr deutlich abseitsverdächtigter Position erzielt - die Partie und zogen ins Halbfinale ein.

Lautstärke stellte alles bisherige in den Schatten

Es war ein denkwürdiger Abend. Einer, der in die Geschichtsbücher von Borussia Dortmund einging und von dem wohl noch in 20 Jahren gesprochen werden wird. Nur werde ich nicht wirklich mitreden können. Einige Minuten dieses Abends sind mir schlicht verloren gegangen. Und zwar genau die, die entscheidend waren. Erklären kann ich mir das eigentlich nur durch den Trubel, der nach dem ersten Tor von Reus entstand: Plötzlich war die Partie wieder offen, mein Kollege musste den bereits so gut wie abgeschlossenen Spielbericht umschreiben, ich die Einzelkritik überarbeiten - mittendrin fiel das dritte Dortmunder Tor, alles ging von vorne los. Unter maximalem Zeitdruck. Und in einer Umgebung, die in puncto Lautstärke alles in den Schatten stellte, was ich bis dahin von Fußballspielen gewohnt war.

Historischer Sieg für den BVB

Natürlich, ich weiß, wie die Tore gefallen sind, kenne ich die völlig entrückten Jubelszenen der Dortmunder und die bodenlose Enttäuschung der Spieler des FC Malaga - ich habe mir die Videos davon einige Male angesehen. Aber wie ich gearbeitet habe in diesen Minuten, wie ich meine Noten geändert und die kleinen Begründungstexte geschrieben habe, das ist heute weg. War es an dem betreffenden Abend bereits, nachdem ich den Laptop zugeklappt hatte. Immerhin: Als ich damals am nächsten Morgen in die Zeitung schaute - durchaus mit einem bangenden Gefühl, sah ich: Auch in meiner Einzelkritik hatte der BVB das oft zitierte "Wunder" geschafft und Santana (gemeinsam mit Julian Schieber) den BVB ins Halbfinale geschossen. Es hätte an diesem Morgen aber wohl auch kaum ein Leser gemerkt, wenn es anders gewesen wäre. So heftig wie in Dortmund die ganze Nacht über nach diesem historischen Sieg gefeiert wurde...

Matthias Dersch