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Flashback, Aberglaube: Barça fliegt zur Titelfeier heim

Bronzes Fehler fallen am Ende nicht ins Gewicht

Flashback, Aberglaube, "Bullshit": Barça fliegt zur Titelfeier sofort nach Hause

Die Liebe zum großen Pokal: Mittelfeld-Lenkerin Aitana kann ihre Freude ganz gut ausdrücken.

Die Liebe zum großen Pokal: Mittelfeld-Lenkerin Aitana kann ihre Freude ganz gut ausdrücken. IMAGO/Vitalii Kliuiev

Aus Eindhoven berichten Paul Bartmuß, Jim Decker, Annika Fröhlich und Susanne Müller

"Lucy, wir verpassen den Flug!", rief Ana-Maria Crnogorcevic ihrer Mitspielerin zu, die in der Mixed Zone mit ihrer Sonnenbrille spielte und geduldig Fragen der Reporter beantwortete. Lucy Bronze schien, als würde sie gar nicht unbedingt schon wieder verschwinden wollen aus Eindhoven. Hier, wo sie gerade eines der schwächsten Finals ihrer an Finals nicht armen Karriere hinter sich hatte. Samt ihrem vierten Titelgewinn in der Königsklasse.

Vor dem 0:1 durch Wolfsburgs Ewa Pajor hatte die Engländerin den Ball stümperhaft verloren, vor dem 0:2 hatte sie Pajor kaum attackiert. Die Polin flankte auf den Kopf von Alexandra Popp und brachte die Wölfinnen dem Titel ganz nahe - scheinbar.

"Klar, ich habe fünf Wochen lang kein Spiel gemacht", sagte die in der Zwischenzeit am Knie arthroskopierte Bronze, auch wenn es in Wahrheit sogar sechs waren. "Das darf aber keine Ausrede sein. Erst war es schwer, meinen frühen Fehler (der zum 0:1 führte, Anm. d. Red.) abzuhaken, aber nach ein paar Minuten ist es mir gelungen. Um das zu schaffen, spielt Erfahrung eine große Rolle."

Es ist ein viel größerer Titel als vor zwei Jahren.

Caroline Hansen

Trainer Jonatan Giraldez nahm die fehlerhafte Rechtsverteidigerin ausdrücklich in Schutz: "Es geht nicht darum, dass man Fehler macht. Es geht darum, wie man auf sie reagiert." Und das habe Bronze "großartig" gemacht: "Ich mag es nicht, wenn jemand einen Fehler macht, und man dann mit dem Finger auf denjenigen zeigt."

So stand nach Schlusspfiff doch noch ein 3:2-Sieg auf der Tafel, zu der Patri mit einem schnellen Doppelpack nach der Pause und schließlich die ehemalige Wolfsburgerin Fridolina Rolfö die Tore beigetragen hatten. Der zweite Champions-League-Titel der Barça-Frauen binnen zwei Jahren: Zwischendurch hatten sie das Finale 2022 gegen Lyon verloren. Ob das schon der Beginn einer neuen Dynastie sei, wurde Jonatan Giraldez gefragt. "Ich weiß nicht", wehrte der ab.

Weil der FCB sich vorab festgelegt hatte, bald nach Schlusspfiff zurück zu reisen, musste er schnell seine Sachen packen und los zum Flughafen. "In Barcelona machen wir Party bis zum Morgen", sagte Caroline Hansen. "Wir haben so lange auf diesen Tag gewartet. Es ist ein viel größerer Titel als der vor zwei Jahren".

Ein Fingerzeig: Patri bejubelt ihr erstes Tor.

Ein Fingerzeig: Patri bejubelt ihr erstes Tor. IMAGO/Bildbyran

Ein Kraftakt mit drei Toren? Kein Problem

Damals hatte es wegen der Pandemie keine Zuschauer in Göteborg gegeben, in Eindhoven waren es nun 33.147. Die Katalaninnen wurden begeistert gefeiert - und feierten sich selbst. "Sie hören es ja", sagte Hansen in der Mixed Zone und deutete lächelnd in die Richtung, aus der Freudengesänge ihrer Mitspieler tönten. Die Norwegerin sagte, sie habe einen "Flashback" zum Finale 2022 gehabt. "Aber ich habe mir gedacht: 'Das passiert nicht noch einmal'". Im vergangenen Jahr hatte der FC Barcelona gegen Olympique Lyon - ebenfalls nach frühem 0:2 - mit 1:3 verloren.

Diesmal schien der Zwei-Tore-Rückstand beim FC Barcelona und dessen Selbstverständnis nicht viel anzurichten. "Ich glaube nicht, dass wir uns zu irgendeinem Zeitpunkt Sorgen darum gemacht haben, drei Tore zu erzielen", berichtete Bronze. Eigentlich ein großer Kraftakt - aber mit dieser Qualität im Kader doch machbar.

Endlich haben die Leute gesehen, wie gut Patri ist.

Keira Walsh

Spielerinnen und Trainer waren sich hinterher einig, schon in der ersten Halbzeit trotz des 0:2-Rückstands die eindeutig bessere Mannschaft gewesen zu sein. "Das Ergebnis zur Pause war nicht ganz fair", sagte Trainer Jonatan Giraldez, "wir hatten so viele Chancen." Unisono berichteten er und sein Team, in der Pause sei es primär darum gegangen, weiter an sich zu glauben, dran zu bleiben.

Nur eine Umstellung habe es gegeben: Die umtriebige Zentrumsstürmerin Salma tauschte Giraldez mit der linken Angreiferin Mariona Caldentey. Mariona habe, so erklärte es Giraldez, von da an als Wandspielerin mit dem Rücken zum Wolfsburger Tor fungieren sollen. Weil sie sich auch gern nach hinten fallen ließ, stellte die Blaugrana so in mancher Situation eine Überzahl im Mittelfeld her.

EINDHOVEN, 03-06-2023 ,Philips Stadium, UEFA Women's Champions League Final, Barcelona - Wolfsburg CL Final (women) , season 2022 / 2023, during the match Barcelona - Wolfsburg CL Final (women) dejected after the lost match Wolfsburg player Felicitas Rauch - Photo by Icon sport during the UEFA Women Champions League match between FC Barcelona and Wolfsburg at PSV Stadion on June 3, 2023 in Eindhoven, Netherlands. (Photo by ProShots/Icon Sport via Getty Images)

"Triple wurde angepeilt, am Ende ist es nur ein Titel"

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Dort schwang sich Patri, die oft im Schatten von Aitana, Putellas und Walsh steht, mit ihren beiden Toren zur Matchwinnerin auf. "Endlich haben die Leute gesehen, wie gut Patri ist", lobte Nebenfrau Keira Walsh, selbst die teuerste Spielerin der Welt. "Sie wurde so sehr unterschätzt."

Die entscheidende Frau erzählte von einem der Erfolgsgeheimnisse des Teams: dem Aberglauben. "Vor ein paar Jahren haben wir Holz angefasst", sagte Patri, diesmal habe es die "Theorie der Nummer zwei" gegeben. Ab und zu war es zu beobachten, dass die Akteurinnen sich anschauten und dabei zwei Finger hochhielten. "Natürlich wird das nicht den Ausschlag gegeben haben", schränkte die Torschützin ein, "aber das sorgt für eine spezielle Verbindung zwischen uns".

Kleiner Vorfall um Mariona und ihre Flagge

Inmitten der Euphorie untersagte die UEFA laut dem schwedischen Portal "Fotbollskanalen" der Angreiferin Mariona Caldentey, eine Flagge aus der Umkleidekabine zum Feiern zu holen. Schließlich war die 27-Jährige zur Dopingkontrolle ausgelost worden und durfte sich in den Katakomben nicht frei bewegen. "Das ist Bullshit", habe Mariona der UEFA-Mitarbeiterin entgegengeschrien, die ihr den Zutritt verwehrt habe.

Es blieb ein kleiner Aufreger in einer großen Barça-Party, die ihre Spuren in mindestens zwei Ländern hinterlassen sollte. Während man in Eindhoven noch das Lametta vom Rasen sammelte, waren die Spielerinnen schon auf dem Weg zum Flughafen.

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