Kroatiens Nationalcoach Ante Cacic veränderte seine Startelf gegenüber dem 2:1-Sieg über Spanien auf fünf Positionen: Der zuletzt angeschlagene Modric kehrte zurück, zudem begannen Strinic, Vida, Brozovic und Mandzukic anstelle von Rog, Vrsaljko, Jedvaj, Kalinic und Pjaca.
Auf der Gegenseite wechselte der portugiesische Nationaltrainer Fernando Santos nach dem turbulenten 3:3 gegen Ungarn viermal durch: Der Neu-Dortmunder Guerreiro begann ebenso wie José Fonte, Cedric und Adrien Silva. Auf die Bank mussten dafür Vierinha, Eliseu, Ricardo Carvalho sowie Joao Moutinho. Ein in doppelter Hinsicht besonderes Spiel war es für Nani: Cristiano Ronaldos kongenialer Partner im Angriff feierte ein Jubiläum und lief zum 100. Mal für Portugal auf.
Cacic hatte vor der Partie vor allen portugiesischen Akteuren gewarnt, machte aber keinen Hehl daraus, den Superstar besonders im Auge zu haben: "Wir müssen Ronaldo limitieren". Wie das funktionieren sollte, wurde schnell deutlich - durch eigenen Dominanzfußball. Wie bereits bisher gesehen, lief die Kugel bei den Kroaten im Spielaufbau wie am Schnürchen. Die Iberer waren in der Anfangsviertelstunde meist mit Arbeit gegen den Ball beschäftigt, ließen aber keine Chance zu.
Unerfüllte Erwartungen
Überhaupt stand es in der Rubrik Torschüsse auch nach 24 (!) Minuten 0:0. Die Portugiesen fanden nun langsam besser in die Partie, das Spielniveau stagnierte allerdings. Bis Guerreiros Freistoßflanke Pepes Kopf fand, der aus Abseitsposition über die Querlatte köpfte - der Treffer hätte gezählt (25.). Die im Turnierverlauf bislang sehr überzeugenden Kroaten verzeichneten nach einer halben Stunde 73 Prozent gewonnene Zweikämpfe, es waren nur keine entscheidenden in der Offensive. Perisic, mit neuer Frisur (gekacheltes Muster an der Seite) aufgelaufen, verzeichnete den ersten Abschluss und traf das Außennetz (30.).
Eine Halbzeit im Zeichen der Taktik
Die im Vorfeld in das Spiel gesteckten Erwartungen konnten beide Teams in Durchgang eins nicht erfüllen, auch weil beide zu vorsichtig agierten und sich nicht aus ihrem taktischen Korsett befreiten. Einmal konnten sich die Vatreni erfolgreich über die Außen nach vorne kombinieren, da geriet die Flanke von Strinic aber zu unpräzise. Den anschließenden Konter spielten die Mannen von Santos nicht perfekt aus (41.) - und dann ging es ohne einen Schuss aufs Tor auch schon in die Pause.
Das Achtelfinale im Überblick
Taktikfans hatten eine äußerst diszipliniert verteidigende portugiesische Mannschaft gesehen, für Unterhaltungssüchtlinge war die erste Hälfte jedoch eher zum Fürchten. Bezeichnend: Cristiano Ronaldo hatte keinen einzigen seiner 19 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum. Für den Großteil des zweiten Abschnitts brachte Santos dann Bayerns 35-Millionen-Neuzugang Renato Sanches (48.). Die ersten Aktionen aber gehörten wieder den Kroaten: Mandzukic verpasste eine Strinic-Flanke knapp, nach dem anschließend schnell ausgeführten Eckball feuerte Brozovic zu hoch (53.).
Strinic im Glück - Sanches treibt an
Renato Sanches war es, der für den ersten Abschluss nach der Pause sorgte: Nach schönem Zusammenspiel mit Joao Mario verzog der Neu-Münchner aber deutlich (57.). Chancen waren weiterhin nicht reichlich gesät - Vida hätte Kroatien dennoch in Führung köpfen können, ehe sein Kollege Strinic großes Glück hatte: Anstelle des Balles traf er nur Nani, der einen Elfmeter forderte, diesen aber nicht bekam (64.).
Ein Blickfang - jedoch nur wegen seiner Frisur - war Perisic, der ansonsten wie alle Akteure blass blieb. picture alliance
Die Portugiesen kamen offensichtlich bestens mit der starken Offensivabteilung der Kroaten zurecht und wagten sich ihrerseits gelegentlich nach vorne. Dennoch schien alles auf eine Verlängerung hinauszulaufen, da Subasic wenig bis gar nicht von CR7 & Co. gefordert wurde und sich auch die Offensive der Vatreni extrem schwertat, Gefahr zu erzeugen. Beiden Teams gelang so gut wie nichts mehr, sodass auch die 33.523 Zuschauer in Lens wohl den Schlusspfiff herbeisehnten - oder den Lucky Punch ihrer jeweiligen Mannschaft.
Verlängerung - und Sanches tritt nach
Es kam, wie es kommen musste: Schiedsrichter Velasco Carballo pfiff zur Verlängerung - und Portugal fuhr das vierte Remis im vierten Spiel nach 90 Minuten ein. Es blieb ein Hauen und Stechen, mit teilweise unfairen Mitteln. Nach einem Foul an Modric trat Sanches im Affekt auf das Bein des am Boden liegenden Kroaten - doch Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo übersah die Tätlichkeit komplett (93.). Was den Fußball anbelangte, passierte: nichts.
Kroatien wagt - und verliert
Das zähe Ringen schaukelte sich dem Elfmeterschießen entgegen, als sich Vida die unverhoffte Möglichkeit bot: Nach einem Eckball erwischte der Verteidiger den Ball nicht optimal und köpfte über das Tor - Keeper Subasic war bereits geschlagen (113.). Kurz darauf traf Perisic per Kopf nur den Pfosten (116.). Kroatien schien noch einmal etwas zu wagen - und wurde dafür bitterböse bestraft: Quasi im direkten Gegenzug nach dem Pfostentreffer spielte Nani das Leder etwas zufällig auf den zweiten Pfosten, wo Cristiano Ronaldo an Subasic scheiterte, doch der eingewechselte Quaresma war zur Stelle und nickte die Kugel über die Linie (117.).
Die Kroaten warfen noch einmal alles nach vorne und hatten die Riesenmöglichkeit zum Ausgleich in allerletzter Sekunde. Doch Vida avanvierte endgültig zur tragischen Gestalt und vergab auch seine dritte gute Chance, sein Schuss strich hauchzart rechts vorbei (120.+2). Dann durfte aus Sicht der Portugiesen gejubelt werden, das Viertelfinale ist gebucht. Somit ist Portugal die einzige Nation, der es gelang, sechs Mal in das Viertelfinale einer EM einzuziehen. Zudem gelang dies zum sechsten Mal in Folge (seit 1996 immer). Am Donnerstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker.de) geht es in Marseille gegen Polen.