Zumindest für einen Tag hat das Old Trafford einen neuen König - und er heißt nicht Cristiano Ronaldo. Als erster Gäste-Akteur seit dem legendären Champions-League-Auftritt des brasilianischen Ronaldos für Real Madrid im April 2003 schoss Mohamed Salah drei Tore im Old Trafford. Der Ägypter, mit 107 Toren nun auch der erfolgreichste afrikanische Torschütze der Premier-League-Geschichte (zuvor Drogba mit 104), führte den FC Liverpool mit drei Toren und einem Assist zu einem triumphalen 5:0-Erfolg beim Erzrivalen Manchester United.
Unter der Woche hatte United in der Champions League einen 0:2-Pausenrückstand gegen Atalanta Bergamo noch in einen 3:2-Sieg umgebogen. "Hoffentlich war das für uns das Ende eines schlechten Laufs und der Start von etwas Großem", hatte Trainer Ole Gunnar Solskjaer am Freitag noch gehofft. So kann man sich täuschen. Die Aufholjagd am Mittwoch stellte sich (wieder einmal) nur als kurzer Höhenflug heraus. Am Ende war sie für Solskjaer vielleicht sogar das letzte Zucken. Denn die 0:5-Vorführung, die der FC Liverpool den Red Devils am Sonntag verpasste, darf mit Fug und Recht als einer der Tiefpunkte des Rekordmeisters unter der Leitung des Norwegers gelten.
Die erste große Chance hat Bruno Fernandes
Die erste große Chance des ewig jungen Duells hatte dabei United: Am Ende einer schnellen Pass-Stafette kam Bruno Fernandes, hinter dessen Einsatz ein Fragezeichen gestanden hatte, im Strafraum frei zum Abschluss, jagte den Ball jedoch über das Tor (4.). Wenig später nahm das Defensiv-Desaster für United seinen Lauf: Ohne Mühe überspielte der LFC ausgehend von Jota, der für Mané in die Startelf gerückt war, das Alibi-Pressing der Hausherren. Plötzlich liefen drei Liverpool-Profis auf Shaw zu, Salah bediente Keita, der zum 1:0 vollendete (5.).
Hatte de Gea das zweite Gegentor gegen Firmino noch per Fußabwehr verhindert (7.), war er wenig später erneut machtlos. Nachdem sich Maguire und Shaw an der Strafraumgrenze gegenseitig behindert hatten, legte Keita zu Alexander-Arnold raus, dessen Hereingabe Jota am zweiten Pfosten veredelte (13.).
Liverpool eiskalt vor dem Tor - Salah stellt schon vor der Pause auf 4:0
In der Offensive tauchte ManUnited in der Folge ab und an durchaus gefährlich auf. Doch während den Bemühungen der Hausherren der letzte Punch fehlte (Ausnahme: ein ansatzloser Greenwood-Schuss, den Alisson entschärfte, 28.), zeigten sich die Reds vor dem gegnerischen Tor eiskalt. Dabei wurden sie allerdings auch immer wieder eingeladen. Einfach viel gedankenschneller als der Gegner agierten die Gäste. So auch beim 3:0 durch Salah, der den Ball nach einem abgefälschten Schuss von Keita wieder aufgelegt bekam und humorlos vollstreckte (38.). In der Nachspielzeit der ersten Hälfte konnte Liverpool am gegnerischen Strafraum wieder schalten und walten, wie es wollte. Der Ägypter stellte noch vor der Pause auf 4:0 (45.+5).
Bei United regiert der Frust: CR7 kommt mit Gelb davon, Pogba sieht nach Kurzauftritt Rot
Bei United regierte da schon längst der Frust. Cristiano Ronaldo löste eine Rudelbildung aus, als er nach einem Foul an Jones nach dem Pfiff des Schiedsrichters noch einmal wuchtig gegen den Ball trat, der unter dem Liverpooler eingeklemmt war. Mit Gelb war der Portugiese gut bedient. Landsmann Fernandes holte sich direkt nach Wiederanpfiff für ein hartes Einsteigen gegen Jones ebenfalls Gelb ab.
Für den zur Pause eingewechselten Pogba war die Partie gar nach 15 Minuten wieder beendet, nachdem er Keita mit offener Sohle über dem Knöchel getroffen hatte (60.). Nach Ansicht der Bilder am Spielfeldrand zückte Schiedsrichter Anthony Taylor die Rote Karte. Der frühere Leipziger musste verletzt vom Platz getragen werden.
Zu diesem Zeitpunkt stand es schon 5:0. United hatte im Vorwärtsgang mal wieder den Ball verloren, den Henderson in der Folge überaus sehenswert Salah in den Lauf servierte. Der Ägypter überwand de Gea mit links - im mehrfachen Sinne (50.). Mit einer starken Parade gegen Alexander-Arnold verhinderte der United-Torhüter den sechsten Einschlag in seinem Tor (71.). Auf der anderen Seite wollte United nichts gelingen an diesem Nachmittag: Ein Ronaldo-Tor kassierte der VAR wegen knapper Abseitsstellung (53.), der eingewechselte Cavani traf aus kurzer Distanz nur die Latte (83.).
Nach der 5:0-Vorführung im Stadion des größten Rivalen bleibt Liverpool in der Premier League als einziges Team ungeschlagen und liegt mit einem Punkt Rückstand auf Tabellenführer Chelsea auf Platz 2.
Fast auf den Tag genau zehn Jahre nach einer der bittersten Niederlagen der Vereinsgeschichte (1:6 gegen Manchester City) muss Manchester United erneut eine ganz bittere Demontage hinnehmen. Ob sie nur ein weiterer vermeintlicher Tiefpunkt der Ära Solskjaer oder vielleicht schon deren Endpunkt war, werden die kommenden Tage zeigen.