Champions League

München? Mailand! Wie Pavard und Sommer Inter verzücken

Die anfängliche Skepsis ist längst verflogen

München? Mailand! Wie Pavard und Sommer Inter verzücken

Mit Bayern Meister, mit Inter kurz davor: Benjamin Pavard und Yann Sommer.

Mit Bayern Meister, mit Inter kurz davor: Benjamin Pavard und Yann Sommer. imago images (2)

Ein Abwehrspieler für 30 Millionen Euro? Nicht jeder Fan der Nerazzurri konnte nachvollziehen, warum Giuseppe Marotta trotz fast schon traditionell klammer Kasse so viel Geld in die Hand nahm, um Benjamin Pavard vom FC Bayern München loszueisen. Lieber hätten sie einen zusätzlichen Stürmer in blau-schwarz gesehen. Doch Inters Vorstandvorsitzender Marotta hörte offenbar auch auf die Bitten seines Trainers und landete wieder mal einen Volltreffer. Anfang Februar schrieb die Tuttosport: "Gesegnet sei der Tag, an dem Inzaghi darum bat, alles auf Pavards Verpflichtung zu setzen."

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Dabei musste der 27-Jährige erst einmal Fuß fassen in Mailand. Pavard spielte solide, aber scheute das Risiko. Der Weltmeister von 2018 wirkte darauf bedacht, Fehler zu vermeiden, das hatte Auswirkungen auf seine Offensivqualitäten.

Wegen einer Patellasehnenluxation fehlte er von Anfang November bis Mitte Dezember, kehrte aber umso stärker zurück. Pavard wirkte als rechter Verteidiger einer Dreierkette in Inzaghis 3-5-2-System nun mutiger, nach dem 1:0-Erfolg gegen Juventus Anfang Februar überschlugen sich die italienischen Medien mit Lobeshymnen. "Elegant" und "tadellos" (Corriere dello Sport) habe Pavard gespielt, "als sei er im San Siro geboren worden" (La Repubblica). Pavard agiere gar "mit dem Flair eines Champions“, so die Tuttosport.

Passt dann ja auch zu Pavards Champions-League-Bilanz. Denn zu den ausgezeichneten Leistungen in der Liga gesellen sich starke Auftritte auf internationalem Terrain. In der laufenden Königsklassen-Saison gewann er 75 Prozent seiner Zweikämpfe, einer der besten Werte überhaupt. Seine Bilanz in der Champions League ist ohnehin herausragend: 31 von 38 Spielen hat er gewonnen - kein anderer Spieler hat mit mindestens genauso vielen Partien eine so hohe Siegquote.

Dass Inter Mailand erst kärgliche 13 Gegentore in 28 Ligaspielen hinnehmen musste, ist sicherlich auch Pavards Verdienst. Doch die Nerazzurri haben eben auch einen sicheren Rückhalt dahinter, der ebenfalls vom FC Bayern kam: Yann Sommer.

Von Onana spricht bei Inter keiner mehr

Auch bei der Verpflichtung des 35-Jährigen hatte der eine oder andere die Nase gerümpft, und das nicht nur wegen der sechs Millionen Euro Ablösesumme. Sommer war noch gar nicht auf Herz und Nieren getestet, da trauerten viele schon Vorgänger André Onana hinterher. Der starke Rückhalt hatte sich nach nur einem Jahr in Italien und trotz Vertrags bis 2027 für einen Wechsel zu Manchester United entschieden - für satte 55 Millionen Euro. Dass sich Onana bei den Red Devils immer wieder Patzer erlaubt, während Sommer sich - mit einer Ausnahme bei der einzigen Saisonniederlage gegen Sassuolo (1:2) - als die Konstanz schlechthin präsentiert, wird bei den Tifosi mit einer Mixtur aus Erleichterung, Genugtuung und auch einer kleinen Prise Spott in Richtung Manchester quittiert.

Die Skepsis gegenüber Sommer? Sie verflog von Zu-null-Spiel zu Zu-null-Spiel immer mehr, bis nicht mal mehr ein Hauch davon übrig war. Inzwischen sind es übrigens 17, ein Höchstwert in den fünf Topligen. Wohlwollend zur Kenntnis genommen hat man in Italien auch Sommers fußballerische Fähigkeiten. Ein Abschlag im Derby d'Italia gegen Juventus führte zum 1:1-Ausgleich durch Lautaro Martinez, bei einem 2:0-Erfolg gegen Lazio leitete er ebenfalls den zweiten Treffer ein.

Sommer begeistert von "Freak" Inzaghi

Da passt kein Blatt dazwischen: Simone Inzaghi und Yann Sommer.

Da passt kein Blatt dazwischen: Simone Inzaghi und Yann Sommer. IMAGO/sportphoto24

Kein Wunder also, dass Inzaghi auch Sommers "gute Technik mit dem Fuß und sein Spielverständnis" lobt. Wertschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Der Trainer sei "ein Freak", sagte der Keeper im Podcast "Copa TS", natürlich im positiven Sinne. Inzaghi sei "sehr detailverliebt, in jeder Trainingseinheit geht es um maximalen Erfolg". Der 47-Jährige hat eine robuste Phalanx erschaffen, die Sommer die schlimmsten Sorgen vom Leib hält. Das beginnt schon in der Offensive, wo das Dreier-Mittelfeld mit Barella/Calhanoglu/Mkhitaryan, Inters Herzstück, die Schotten weitgehend dicht macht.

Wer entwischt, auf den wartet dann noch die blitzgescheite Dreierkette, meist gebildet von Bastoni, Routinier Acerbi und eben Pavard. Inzaghi ist aber generell bemüht, dass alle im Kader Spielzeit bekommen, er alle bei Laune hält. So darf zum Beispiel, wie beim 1:0 am Samstag in Bologna, auch mal Yann-Aurel Bisseck ran. Der Ex-Kölner dankte es Inzaghi mit seinem zweiten Saisontor im zwölften Einsatz. "Als Torwart ist es der Wahnsinn, hinter diesen Linien zu spielen. Und wenn mal einer durchkommt, versuche ich, meinen Job zu machen", sagt Sommer.

Und den macht er. In der Serie A hält Sommer 81,7 Prozent aller Schüsse, mal wieder ein Topwert in den fünf Topligen (danach folgt PSG-Keeper Gianluigi Donnarumma mit 80,7 Prozent). In der Champions League liegt seine Quote sogar bei 90 Prozent, natürlich auch ein Höchstwert unter allen Stammkeepern.

Eine sensationelle Statistik muss Atletico sorgen

"Wir funktionieren als Mannschaft sehr gut, das ist das Ergebnis. Aber manchmal erschrecke ich selber, wenn ich die Zahlen anschaue", sagt Sommer, dessen Körpergröße von "nur" 1,83 Metern in Italien übrigens nie ein Thema war. Vielmehr registriert man sein schnelles Abtauchen oder die blitzartigen Reflexe des Schweizers, der sich als Foodblogger im Land von Pizza, Wein und Pasta natürlich pudelwohl fühlt ("Die Italiener kochen unfassbar, die zelebrieren das Essen").

Ob es Atletico Madrid nach dem 0:1 im Hinspiel im Stadio Giuseppe Meazza am Mittwoch gelingt, Inter zu knacken? Die Colchoneros sollten sich lieber beeilen mit dem Toreschießen, was sämtliche Pflichtspiele in dieser Saison deutlich offenbaren. Anzahl der Gegentore Inters nach der 75. Minute: null.

Christoph Laskowski