kicker

Di Canio: "Ich bin kein politischer Mensch"

Neuer Sunderland-Trainer im Fokus

Di Canio: "Ich bin kein politischer Mensch"

Versetzte mit seinem Wechsel nach Sunderland die Premier League in Aufruhr: Trainer Paolo di Canio.

Versetzte mit seinem Wechsel nach Sunderland die Premier League in Aufruhr: Trainer Paolo di Canio. imago

"Ich bin ein Faschist, kein Rassist": Ende 2005 kam dieser Satz aus dem Munde Paolo di Canios, kurz nachdem er im Trikot von Lazio Rom zum wiederholten Mal auf dem Fußballplatz den "römischen Gruß" gezeigt hatte, den man in Deutschland "Hitlergruß" nennt. Damit wolle er "nicht zu Gewalt oder rassistischem Hass" aufrufen, betonte di Canio damals. Jener Satz jedoch blieb.

Am Ostersonntag durfte ihn di Canio wieder in den europäischen Medien lesen, der AFC Sunderland verkündete die Verpflichtung des Italieners: Ein bekennender Faschist wird Trainer in der Premier League. Ein Mann, der laut seiner Biographie manche Seite an Benito Mussolini "faszinierend" findet und sich den Schriftzug "Dux", das lateinische Wort für "Führer", auf den Arm tätowieren ließ.

Bis vergangenen Februar hatte di Canio die Geschicke beim Drittligisten Swindon Town geleitet. 2011, drei Jahre nach dem Ende seiner aktiven Karriere, die ihn auch auf die britische Insel (Celtic Glasgow, West Ham United, Charlton Athletic) geführt hatte, war er beim damaligen Viertligisten eingestiegen.

England diskutiert aufs Neue

England hat also schon seine Erfahrungen gesammelt mit dem umstrittenen 44-Jährigen, musste sich schon einmal überlegen, wie man mit ihm und seiner Vergangenheit umgehen soll. Und trotzdem hat sein Wechsel in die Premier League aufs Neue Empörung ausgelöst. Sunderlands stellvertretender Vorsitzender David Miliband, der frühere britische Außenminister, trat noch am Sonntag von seinem Amt zurück .

"Es ist eine besorgniserregende Zeit, wenn es einen Trainer in der Premier League - der meistgesehenen Liga der Welt - gibt, der seine faschistischen Ansichten niemals geklärt oder sich von ihnen distanziert hat", sagte Piara Powar, Leiter des Anti-Rassismus-Netzwerks "Football Against Racism in Europe" (FARE), am Montag. "Di Canio hat die Möglichkeit, seine Ansichten zu verdeutlichen."

Di Canio wehrt sich - von faschistischem Gedankengut distanziert er sich nicht

Tatsächlich veröffentlichte der AFC Sunderland am Nachmittag ein Statement di Canios. Verdeutlicht wird darin jedoch nichts. Die Canio wehrt sich, ohne sich klar von faschistischem Gedankengut zu distanzieren. Es ist eine Klarstellung, die nichts klarstellt. "Ich hatte in der Vergangenheit nie ein Problem und weiß nicht, warum ich meine Geschichte immer wieder wiederholen und mich bei jedem Klubwechsel immer wieder verteidigen muss gegen etwas, das nicht zu mir gehört."

Jener Satz von 2005 sei Teil eines langen Interviews gewesen, man habe seine Aussage in sehr, sehr negativer Weise verwendet. "Das war nicht fair." Ansonsten gelte: "Ich möchte nicht über Politik reden, weil das nicht mein Gebiet ist. Wir sind nicht im Parlamentsgebäude, sondern bei einem Fußballklub. Ich möchte über Sport sprechen. Ich bin kein politischer Mensch."

Wenn ich jemanden verletzt haben sollte, tut es mir leid.

Paolo di Canio in seinem Statement vom Montag

Nur: Lassen sich Sport und Politik so einfach trennen? "Es wäre heuchlerisch von uns, nicht auf seine selbsterklärte faschistische Vergangenheit hinzuweisen", findet FARE-Leiter Powar. "Es gibt alle möglichen guten fußballerischen Gründe, ihn zu verpflichten. Aber reichen fußballerische Gründe, wenn jemand mit einem solchen Rucksack kommt?"

Viele teilen diese Bedenken, manche nicht. "Ihn als Rassisten zu beschuldigen oder ihm faschistische Sympathien zu unterstellen, wie es einige gemacht haben, beleidigt nicht nur ihn, sondern auch die Integrität dieses Fußballklubs", erklärte Sunderlands Geschäftsführerin Margaret Byrne.

"Er hat mich überzeugt. Aber wir haben nie über Politik gesprochen"

Und Jeremy Wray, der di Canio 2011 nach Swindon geholt hatte, weiß zu berichten, dass es seinerzeit ebenfalls viele Skeptiker gegeben habe. "Aber er hat mich überzeugt, genau wie er den Vorsitzenden von Sunderland überzeugen wird." Milibands Rücktritt sei eine Hauruckaktion gewesen, "ich bezweifle, dass David Miliband Paolo kennt. Ich kenne ihn seit zwei Jahren", betont Wray, fügt aber an: "Wir haben nie über Politik gesprochen." Aber das sei auch nicht relevant, um Sunderland in der Premier League zu halten.