Aus Abidjan berichtet Michael Bächle
Als am Mittwochabend in Abidjan die erste von zwei Nationalhymnen ertönte, rückte der Sport in den Hintergrund. Die Spieler der Demokratischen Republik Kongo sangen zu Beginn nicht mit, sondern hielten sich mit einer Hand den Mund zu und setzten sich zwei Finger der anderen Hand wie eine Pistole an die Schläfe. Auch der komplette Staff an der Seitenlinie inklusive des französischen Trainers Sebastien Desabre führte die Geste aus. Erst nach etwa 15 Sekunden senkten sie ihre Arme, einige Spieler sangen im Anschluss den Rest der Hymne. Zudem trug ein Teil der Mannschaft einen schwarzen Trauerflor am Arm.
Wie Spieler und Trainer im Nachgang bestätigten, war der Hintergrund für dieses Zeichen die Kämpfe im Osten des zentralafrikanischen Landes. Dort hatte zuletzt nach Angaben von Bewohnern die Rebellengruppe M23 die strategisch wichtige Stadt Sake überfallen und deren Bevölkerung in die Flucht getrieben. Augenzeugen zufolge wurden Bomben auf die Stadt abgeworfen. Ein Sprecher der Vereinten Nationen warnte in einer Mitteilung vor einer "regionalen Explosion" und rief zur zügigen Verstärkung von Truppen und Sicherheitskräften auf. Bereits seit Längerem sind im Osten des Landes zahlreiche bewaffnete Gruppierungen aktiv.
Sportminister fordert Unterstützung
"Wir wollten eine Nachricht an die ganze Welt schicken", erklärte Francois Kabulo Mwana Kabulo, der Sportminister des Landes, nach der Partie, die mit 0:1 gegen Gastgeber Elfenbeinküste verloren ging. "Wir brauchen eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft, genauso wie es in der Ukraine und in Palästina passiert ist. Es ist eine ungerechte Rebellion."
Afrika-Cup, Halbfinale
Man habe daher die Tragweite der Veranstaltung nutzen wollen und den afrikanischen Fußballverband CAF um Erlaubnis gebeten, die Geste durchführen und den Trauerflor tragen zu dürfen. Dieser habe zugestimmt. "Ich hoffe, dass die Nachricht ankommt, weil wir Frieden brauchen", so Mwana Kabulo, der ebenfalls Trauerflor an seinem Hemd trug.
Heute ist das wichtiger als das Spiel.
Charles Pickel
Auch der in der Schweiz aufgewachsene Mittelfeldspieler Charles Pickel bezog klar Stellung. "Das ist eine richtig große Sache und niemand schaut hin", beklagte er. "Das war heute ein Zeichen unserer Einheit, heute ist das wichtiger als das Spiel. Wir wollten der Welt zeigen, was dort passiert." Die Geste durchzuführen, haben "wir alle zusammen entschieden", so Pickel weiter. Trainer Desabre sprach davon, die Nationalmannschaft sei "ein Symbol des Nationalstolzes" in der DR Kongo. "Wir wollten die Gelegenheit heute nutzen, auf all die Gräueltaten im Osten des Landes aufmerksam zu machen."
Durch die Niederlage verpasste die DR Kongo ihren ersten Finaleinzug beim Afrika-Cup seit dem ersten und einzigen Titelgewinn 1968. Das letzte Turnierspiel trägt die Nationalmannschaft somit am Samstag im Spiel um Platz drei gegen Südafrika aus.