Bundesliga (D)

KI-Pilottest in Dortmund: So könnten Zuschauer in die Stadien zurückkehren

KI-Unternehmer Neugebauer über Öffnung für Fans

Pilottest in Dortmund: So könnten Zuschauer in die Stadien zurückkehren

Versuch mit Statisten: Ein Eindruck vom Testtag in der Dortmunder Arena am 15. Juni.

Versuch mit Statisten: Ein Eindruck vom Testtag in der Dortmunder Arena am 15. Juni. G2K Group GmbH

Vier Module umfasst das System der Firma mit Sitz in München und Berlin, die auch schon KI-Lösungen für die Deutsche Bahn entwickelt hat und an der Entstehung von "Smart Cities" im Mittleren Osten beteiligt ist: Kamerabasierte Temperaturmessung, Maskenerkennung, Personenzählung über das bestehende Ticketsystem sowie Auslastungsmessung und Abstandsmessung in zunächst einem ausgewählten Tribünenbereich.

Im Pilottest am Samstag kommen Modul I und II zum Einsatz. Um vor allem Punkt IV zu simulieren und die KI so zur Situationserkennung zu trainieren, fand, wie vom kicker am Donnerstag berichtet, bereits vor knapp zwei Wochen ein Test mit Statisten in einem Teilbereich des Stadions statt.

"Unsere Plattform erkennt, wenn Personen, die nicht zusammengehören, zu eng nebeneinandersitzen. In diesem Fall erzeugt das System einen Alarm", schildert G2K-Mitgründer Karsten Neugebauer im Gespräch mit dem kicker. Wie das konkret funktionieren soll, was das Unternehmen mit den Daten macht und welche Stadien für das System in Frage kommen können, erklärt der Technologieunternehmer hier.

Herr Neugebauer, am Wochenende startet der Pilotversuch in Dortmund. Warum gerade dort?

Borussia Dortmund ist nicht nur bekannt für Innovationsfreude, sondern auch dafür, dass der Fan bei diesem Verein eine besondere Rolle einnimmt - und das sage ich als Bayern-Anhänger (lacht). Die gelbe Wand ist jedem ein Begriff. Beim BVB arbeiten Menschen, neben Hans-Joachim Watzke ist dies insbesondere Carsten Cramer (Marketinggeschäftsführer BVB, d. Red.), die für Neuerungen aufgeschlossen sind.

Es nützt nichts, wenn man sich wie der FC Augsburg eine Thermokamera aus China andrehen lässt.

Karsten Neugebauer

Ihr Konzept besteht aus mehreren Säulen: Wie würden Sie die Funktionsweise beschreiben?

Wir wissen mittlerweile, wie Infektionsherde entstehen und sich das Virus ausbreitet. Unser Augenmerk gilt der Bestimmung der Daten, mit deren Hilfe Infektionswege verhindert werden können. Halten die Menschen den nötigen Abstand? Tragen sie eine Maske? Sorgen wir dafür, dass Infektionen durch Fiebermessung entdeckt werden? Diese Informationen überführen wir in ein Managementcockpit, um entsprechend zu reagieren.

Sie messen per Wärmekamera die Temperatur der Stadionbesucher, checken per intelligenter Kamera, ob die Fans Masken tragen und kontrollieren die Abstände auch über Sensoren.

Unsere Plattform verbindet diese drei Elemente. Es nützt nichts, wenn man sich wie der FC Augsburg eine Thermokamera aus China andrehen lässt. Dann erkennt man zwar, wer Fieber hat, aber der Gesamtkontext fehlt. Sie können den mutmaßlich Infizierten heraussuchen, doch fieberfreie Infizierte kommen ins Stadion, vielleicht wissen sie gar nicht, dass sie das Virus in sich tragen. Für genau diese Fälle verhindern wir Infektionswege.

Wie unterscheidet das System, ob in einer Reihe ein Haushalt erlaubterweise eng zusammensitzt oder mehrere Fans aus mehreren Haushalten - was ja dem Abstandsgebot widerspräche?

Wir sprechen zunächst über die Zulassung von Dauerkarteninhabern, und in den Ticketsystemen der Vereine sind für diese auch familiäre Beziehungen hinterlegt. Unsere Plattform erkennt, wenn Personen, die nicht zusammengehören, zu eng nebeneinandersitzen. In diesem Fall erzeugt das System einen Alarm, der z.B. den Sicherheitsmann vor Ort per Handy anweist, für mehr Abstand zu sorgen. Übrigens auch an den Verpflegungsstationen.

Wir betreiben weder Datenhandel, noch sind wir eine Gesichtserkennungsfirma.

Karsten Neugebauer

Was auch Fragen nach dem Datenschutz aufwirft. Was passiert mit den erfassten Informationen?

Die erfassten Informationen werden nur situationsbezogen, dezentral und anonym registriert und im Rahmen datenschutzrechtlicher Vorgaben kurzfristig gespeichert. Unmittelbar danach werden sie gelöscht. Die Körpertemperatur interessiert uns ja lediglich in der kurzen Zeitspanne der Einlasskontrolle, danach ist diese Information nicht mehr relevant. Wir betreiben weder Datenhandel, noch sind wir eine Gesichtserkennungsfirma, und wir müssen auch unterscheiden zwischen "detection" und "recognition".

Wo liegt der Unterschied?

So könnte die Fieberkontrolle laufen: Ein Schaubild des KI-Unternehmens.

So könnte die Fieberkontrolle laufen: Ein Schaubild des KI-Unternehmens. G2K Group GmbH

"Recognition" bringt immer ein Gesicht mit den Daten einer eindeutig identifizierbaren Person in Zusammenhang. Was wir hier tun ist "detection". Dabei geht es nur darum, etwas Allgemeines zu erkennen, wie in diesem Fall Auge, Nase und Mund, um den optimalen Punkt für die Temperaturablesung auf der Stirn zu ermitteln. Hierbei werden keine Zusammenhänge hergestellt. In diesem Pilotprojekt ordnen wir also keine Informationen individuell einer eindeutig identifizierbaren Person zu, somit verhalten wir uns absolut datenschutzkonform. Zudem ist unser Unternehmen gerade ISO27001-zertifiziert worden (internationales Informationssicherheitssiegel, d. Red.), das schaffen nicht viele. Wir tragen zusätzlich das Siegel des Bundesverbandes für künstliche Intelligenz.

Es ist die Rede von Potenzialen von bis zu 30.000 Zuschauern. Gilt das nur für Dortmund oder für alle Stadien?

Über die Zahl 20.000 bis 30.000 denkt man in Klubs und Liga nach, sie bezieht sich eher auf große Stadien wie Dortmund oder München. 30 Prozent der Kapazitäten könnten ein erster Schritt sein, die Entscheidung treffen Verbände und Politik. Wir werden nicht sofort von null auf hundert gehen können, sondern Zwischenschritte brauchen.

Auch die spanische Liga interessiert sich für Ihr Konzept, dort ist ein Pilotprojekt bei Real Sociedad geplant. Gibt es in Deutschland weitere Interessenten, mit denen Sie sprechen?

Ja, und ich weiß auch von Carsten Cramer, dass man das beim BVB begrüßt. Denn am Ende wäre eine einheitliche Lösung bundesweit sinnvoll.

Wie viele Pilottests mit 300 Personen bräuchte es, um die Wirksamkeit des Systems zu testen?

Einen einzigen. Der Rest ist Anpassung an die anderen Stadien, wo wir dann unter Umständen noch Hardware hinzufügen müssten.

Sind alle Stadien bis in die 3. Liga hinunter kompatibel?

Auch wenn ich nicht alle Stadien in Deutschland kenne, bin ich überzeugt, dass dies bei dem einen oder anderen eine Herausforderung sein wird. Dortmund hatte ideale Voraussetzungen, viele andere Arenen haben die auch. Kaiserslautern ist mir bestens bekannt aus einem zurückliegenden Projekt zur Gästefanbeobachtung. Auch dort wäre unser System in jedem Fall implementierbar.

Wer sich in der Bundesliga noch mit der G2K-Lösung befasst, wie andere Länder planen - und wie die UEFA: Mehr zur "neuen Fan-Nähe" lesen Sie im aktuellen kicker vom Donnerstag (hier als e-Magazine)!

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