Bundesliga (D)

Seoane ohne Plädoyer für Paulinho und "muss" ihn nominieren

Leverkusens Brasilianer nennt Nicht-Nominierung "politische Entscheidung"

Seoane verweigert Plädoyer für Paulinho - und "muss" ihn nominieren

Schwerer Stand unterm Bayerkreuz: Offensivspieler Paulinho.

Schwerer Stand unterm Bayerkreuz: Offensivspieler Paulinho. IMAGO/Hartenfelser

Dass diese Konstellation für Reibung sorgen würde, war klar. Nachdem Verkaufskandidat Paulinho diverse Angebote europäischer Klubs ausgeschlagen und Bayer zudem mit Callum Hudson-Odoi einen neuen Linksaußen verpflichtete hatte, war es abzusehen, dass dem brasilianischen Offensivakteur ein Stammplatz auf der Bank oder sogar der Tribüne droht.

Beim 2:2 gegen Hertha BSC in Berlin war es nun so weit. Der 21-Jährige fehlte im Spieltagsaufgebot. Aus sportlichen Gründen, wie Trainer Gerardo Seoane am Samstag erklärte, worauf Paulinho über soziale Medien konterte und von einer "politischen Entscheidung" sprach.

Am Montag, einen Tag vor dem Champions-League-Spiel gegen Atletico Madrid (21 Uhr, LIVE! bei kicker), mochte Seoane Paulinhos Äußerungen nicht einordnen. In Schutz nehmen wollte er den Olympiasieger von 2021 allerdings auch nicht.

Ein Plädoyer verkniff sich Seoane lieber

Zwar betonte der Trainer, dass für ihn nur sportliche Kriterien zählen würden, und öffnete Paulinho auch die Tür („Jeder Spieltag ist eine neue Chance, sich anzubieten“), doch den Brasilianer aus er Schusslinie nehmen, wollte er nicht.

So umdribbelte Seoane die Frage, ob er mit Paulinhos Trainingsleistungen unzufrieden gewesen sei. "Ich verstehe die Fragen, aber ich werde aber nicht in die Details gehen. Das sind Dinge, die wir im täglichen Training sehen", erklärte der 43-Jährige und führte alle generell möglichen Gründe für eine Nicht-Nominierung eines Spielers an.

Doch ein Plädoyer für den 2018 für 18,5 Millionen Euro von Vasco da Gama gekommenen Angreifer verkniff sich der Schweizer. Und dabei wäre es für den Fall, dass Seoane an den Trainingsleistungen des Brasilianers nichts auszusetzen gehabt hätte, ja ganz einfach gewesen, alle Spekulationen vom Tisch zu wischen mit der Erklärung, Paulinho habe gut trainiert.

Ein Halbzeitvideo als vermeintlicher Skandal

Dass Seoane vor dem Atletico-Spiel das Thema nicht hochkochen lassen möchte, ist nachvollziehbar. Dass es sich so weit entwickelt hat, belegt aber zumindest, dass Paulinho nicht gut beraten wird. Hatte er sich doch durch einen Bericht, er wolle seinen Klub provozieren, doch erst zu seiner Aussage von einer "politischen Entscheidung" verleiten lassen.

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So hatte die Bild es als Affront Paulinhos interpretiert, dass dieser während der Halbzeit des Hertha-Spiels ein Video gepostet hatte, auf dem er beim Hantel-Training zu sehen ist. Auch wenn dies vom Klub nicht mit Freude registriert wurde, so ist ein Spieler, der an seiner Fitness arbeitet, wenn er am Spieltag nicht berücksichtigt wurde, aber nun alles andere als ein Skandal. Vielmehr hätte man Paulinhos Muskelschau sogar positiv einordnen können.

Die Nicht-Nominierung in Berlin als Zeichen

Dass sich dieser aber nach dem Bericht zu der Attacke gegen die Bayer-Verantwortlichen hinreißen ließ, wirbelte nun berechtigterweise Staub auf. Allerdings war schon vor diesen Aussagen klar, dass Paulinho, der nach seinem Vertragende in Leverkusen 2023 Bayer 04 verlassen wird, keine guten Karten mehr besitzt.

Hatte Seoane doch in Berlin neben Charles Aranguiz, Robert Andrich und Nadiem Amiri mit dem 17-jährigen Zidan Sertdemir lieber noch einen vierten Mittelfeldspieler für die Ersatzbank nominiert, anstatt Paulinho zu berücksichtigen - und somit bewusst auf die Option verzichtet, wenigstens einen Flügelstürmer als möglichen Einwechselspieler zur Verfügung zu haben.

Damit war klar: Aus taktischen Gründen fehlte Paulinho in Berlin nicht. Vielmehr wäre seine Nominierung mangels Außenstürmer sogar zwingend gewesen, wenn sie sportlich zu vertreten gewesen wäre. So wird es interessant sein, wie Seoane am Dienstag mit Paulinho verfährt.

Wie füllt Seoane den freien Platz im Aufgebot?

Mit dem Ausfall von Exequiel Palacios, der mit einer Oberschenkelverletzung wohl auch nach der Länderspielpause noch nicht einsatzfähig sein wird, sind gegen Atletico gleich zwei Plätze im 20er-Aufgebot frei geworden, da Sertdemir nicht für die Champions League gemeldet wurde. Auch Linksverteidiger Daley Sinkgraven, der in Berlin nicht zum Aufgebot gehörte und am Montag am Abschlusstraining teilnahm, steht nicht auf der Meldeliste für die Königsklasse.

So bliebe dem Trainer nur noch die Möglichkeit, Mittelfeldspieler Ayman Azhil (21) oder Defensivakteur Joshua Eze (19) ins Aufgebot zu berufen. Allerdings haben beide noch kein Pflichtspiel für die Werkself absolviert und spielten in den bisherigen Partien dieser Saison auch keinerlei Rolle in den Überlegungen des Schweizers für das Spieltagsaufgebot.

Seoane "muss" Paulinho am Dienstag gegen Atletico also quasi nominieren. Sonst wäre mit der Berufung von Azhil und/oder Eze oder gar einem freibleibenden Platz auf dem Spielberichtsbogen in jedem Fall öffentlich dokumentiert, dass der Brasilianer bei Bayer keine Chance mehr hat.

Stephan von Nocks

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