Bundesliga (D)

Bayer 04 Leverkusen: So schafft sich Trainer Peter Bosz selbst ab

Handschrift von Leverkusens Trainer bis zur Unkenntlichkeit verwischt

So schafft sich Bosz selbst ab

Er rutscht mit Bayer tiefer in die Krise: Trainer Peter Bosz.

Er rutscht mit Bayer tiefer in die Krise: Trainer Peter Bosz. imago images

Rudi Völler muss sich in diesen Tagen an seine Zeit als Teamchef der deutschen Nationalelf und sein legendäres Weizenbier-Interview mit Waldemar Hartmann nach dem 0:0 gegen Island im Jahr 2003 erinnert fühlen:

Das Leverkusener 2:2 gegen Mainz nach 2:0-Führung bis zur 89. Minute als Tiefpunkt. Die erste Hälfte bei der 3:4-Niederlage in Bern als noch tieferen Tiefpunkt. Und nach dem in letzter Sekunde geretteten, aber dennoch enttäuschenden Unentschieden in Augsburg nun ein nochmals tieferer Tiefpunkt mit der verdienten Niederlage und dem Aus in der Europa League gegen die Young Boys aus Bern.

Vier Tiefschläge innerhalb von 13 Tagen nach zuvor schon enttäuschenden Wochen im Jahr 2021. Der Unterschied zu 2003: Heute trägt Völler als Sportgeschäftsführer von Bayer 04 nicht mehr direkt die Verantwortung für die Darbietungen. Diese liegt bei Trainer Peter Bosz.

Natürlich kann der Niederländer nichts dafür, dass sich Torhüter Lukas Hradecky an der Achillessehne verletzt hat. Und er ist auch nicht dafür verantwortlich, wenn Hradecky-Stellvertreter Niklas Lomb erst in Augsburg und jetzt, vier Tage später, gegen Bern brutale Aussetzer unterlaufen, die zu richtungsweisenden Gegentoren führen.

Doch alles auf die Fehler von Bayers Nummer 2 zu schieben, wäre gleichsam billig wie fatal. Denn die jüngsten Auftritte der Bosz-Elf haben sowohl mit dem Anspruch von Bayer 04 als auch mit dem des Niederländers so gut wie nichts mehr gemein.

Bei Bayer setzen sie darauf, dass Bosz den Turnaround schafft, weil sie davon überzeugt sind, dass der 57-Jährige mit seiner Spielidee und seiner Philosophie bestens zu der des Klubs passt. Das Projekt Bosz/Bayer ist in der Tat eines mit Phantasie. Nicht nur die Rückrunde 2018/19 dient als Beleg dafür. Boszs markante Handschrift war unverkennbar. Ähnliches galt noch im Herbst 2020.

Seit dem Jahreswechsel wurde diese über Wochen bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Der Trainer hat Fehler gemacht. Mehr als zuvor. Doch vielleicht viel bedeutsamer ist es, dass er von seinem Weg abgekommen ist. War Bosz in seiner Dortmunder Zeit noch Sturheit und mangelnde Flexibilität vorgeworfen worden, ein fehlender Plan B, so verliert er sich aktuell in zu vielen vor allem systematischen Rochaden.

In Essen mit einem ungewohnten 3-1-4-2, in Leipzig ohne Stoßstürmer und ohne Linksaußen sowie in Bern mit einem viel zu offensiv ausgerichteten Mittelfeld ohne jede Balance gingen seine Experimente nicht auf.

Und auch jetzt beim Europa-League-Aus wirkte die Mannschaft, die mit dem Ball in einem 3-2-4-1 agierte, aus dem Daley Sinkgraven bei gegnerischem Ballbesitz aus der Position des zweiten Sechsers neben Charles Aranguiz auf die Linksverteidigerposition wechselte, von Boszs neuer Idee weder stabilisiert, noch inspiriert. Im Gegenteil.

Es wirkte wie der Verrat an der eigenen Spielidee

So präsentiert sich Bayer unter dem 57-Jährigen in diesen Tagen offensiv harmlos und defensiv anfällig. Gegen Bern waren nach der Einwechslung von Mittelstürmer Lucas Alario lange Bälle auf eine Doppelspitze das gewählte und untaugliche Stilmittel. Es wirkte wie der Verrat an der eigenen Spielidee. Diese ist aktuell bei Boszs Mannschaft kaum noch zu erkennen.

Normalerweise sind dies alles ernstzunehmende Anzeichen für einen bevorstehenden Trainerwechsel. Doch dieser ist nicht zwingend. Und aus der Sicht jedes Liebhabers dieses Sports wäre er extrem bitter. Befeuert dieses Doppel-B, Bosz und Bayer, doch alle - fußballerischen - Phantasien.

Damit dieser Traum vom "Voetbal totaal" nicht bald zerplatzt, muss Bosz zurück zur Klarheit finden. Seiner Mannschaft Sicherheit vermitteln. In einer vertrauten Systematik, seinem 4-3-3 eventuell wie beim 5:2 gegen Stuttgart mit einem fast als zweiten Sechser tiefer positionierten Kerem Demirbay neben dem allein derzeit überforderten Aranguiz. Oder mit einer Doppelsechs mit beiden Strategen in einem 4-2-3-1, das Bayer in der Vorsaison lange erfolgreich praktizierte. Und nicht mit der nächsten neuen Rochade als Antwort auf die letzte missglückte.

Bosz muss klare Zeichen setzen, seiner Mannschaft auch damit Zutrauen in ihre zweifelsohne vorhandenen Fähigkeiten vermitteln, ihr vertraute Abläufe anbieten, mit denen sie wieder Selbstvertrauen und damit die unabdingbare Leichtigkeit gewinnt.

Diese Signale der Stärke haben Bayer und Bosz mit dessen spektakulären Spielidee seit Januar 2019 zu einem der verheißungsvollsten Projekte im deutschen Fußball gemacht. Verliert sich der Trainer weiter in immer wechselnden Experimenten, dann verflüchtigt sich seine Magie. So schafft sich Bosz bei Bayer am Ende selbst ab.