2. Bundesliga (D)

Braunschweig: Trendsetter Scherning gewinnt die Köpfe

Unter dem neuen Trainer ist die Eintracht wieder konkurrenzfähig

Trendsetter Scherning gewinnt die Köpfe

Haucht dem BTSV neues Leben ein: Daniel Scherning.

Haucht dem BTSV neues Leben ein: Daniel Scherning. IMAGO/Eibner

Partymusik war angesagt angesichts der ersten Auswärtspunkte der Saison. "Der Zug, der Zug, der Zug hat keine Bremse", tönte es aus der Braunschweiger Kabine nach dem 3:1-Erfolg in der Wiesbadener BRITA-Arena. Objektiv betrachtet hätte dieser Text natürlich unpassender nicht sein können - schließlich haben die Niedersachsen für den Moment gerade mal dafür gesorgt, dass ihr Zug nicht völlig ungebremst Richtung 3. Liga donnert. Subjektiv wird bei den Beteiligten aber ein anderes Gefühl spürbar: Dass da gerade etwas ins Rollen kommt, das am Ende tatsächlich doch noch schier unaufhaltsam zum Klassenerhalt führen könnte. Und auch diese Deutung lässt sich beim Blick von außen nachempfinden. Denn: so wie die Eintracht in der zweiten Halbzeit am Freitagabend spielt definitiv kein Absteiger.

"Es bestätigt den Trend, dass wir jetzt die Chance haben, diese Spiele zu gewinnen"

"Da haben wir gesehen, wie wir auf einmal ins Tempo kommen können, Druck entwickeln, die richtigen Laufwege und Räume finden", schwärmt Fabio Kaufmann nachvollziehbar, "oft war auch Spielwitz dabei. Wenn dann ein Tor fällt, wird die Brust breiter, die fußball-typischen Mechanismen greifen, und man sieht dann, wozu wir fähig sind." Für den zweifachen Torschützen, unterm Strich der herausragende Mann auf dem Platz, bildet dieser Auftritt mehr als eine Momentaufnahme. Womit er beileibe nicht alleine dasteht. Auch die jüngsten Niederlagen in Hamburg (1:2) und gegen Fürth (0:1) bestätigten schließlich "diesen Trend, dass wir einfach besser sind, bessere Spiele machen und jetzt die Chance haben, diese Spiele zu gewinnen", bestätigt etwa Torhüter Ron-Thorben Hoffmann. "Das gibt der Mannschaft ein gewisses Selbstvertrauen, das vorher einfach nicht mehr da war."

"Wenn etwas nicht klappt, dann stellt der Trainer um, und dann funktioniert eben das"

Vorher - das bezieht sich auf die Zeit bis zur Amtsübernahme von Trainer Daniel Scherning, der nun aus vier Partien immerhin sechs Punkte vorweisen kann. Dabei aber nicht nur die Spiele gegen Osnabrück (3:2) und Wehen Wiesbaden gewonnen hat, sondern augenscheinlich auch die Köpfe seiner zuvor verzweifelten Profis. "Der Trainer hat uns gesagt, dass er total überzeugt ist von dieser Mannschaft, und diese Überzeugung vermittelt er auch", beschreibt Hoffmann die aktuelle Arbeitsatmosphäre unter dem Nachfolger von Jens Härtel. "Er arbeitet mit viel Akribie, ist sehr, sehr detailliert und gibt uns einen ganz, ganz klaren Plan mit. Und man sieht: Wenn etwas nicht klappt, dann stellt der Trainer um, und dann funktioniert eben das. Das war gegen Hamburg so, gegen Greuther Fürth und diesmal auch wieder. Das gibt uns einfach ein gutes Gefühl."

"Es nervt natürlich, dass du das nicht von Anfang an auf den Platz bekommst"

Die Umstellung zur Pause weg von der Doppelsechs, verbunden mit der Auswechslung von Kapitän Jannis Nikolaou, hin zu einem Dreier-Mittelfeld mit zwei offensiven Achtern (Kaufmann und Thorir Helgason) plus zwei Spitzen in Person von Florian Krüger und Rayan Philippe, war zweifelsohne ein maßgeblicher taktischer Kniff. Noch wichtiger laut Scherning war indes, "dass wir dann Mut, Herz und Leidenschaft in unser Spiel reingeknallt haben." Daraus folgte, urteilt auch Scherning, erneut "eine sehr, sehr starke zweite Halbzeit und etwas, das auch gegen Hamburg und Fürth schon hätte passieren können: Dass wir das Spiel nach einem Rückstand drehen." Allerdings hielt der Fußballlehrer ebenfalls fest: "Es nervt natürlich, dass du das nicht von Anfang an auf den Platz bekommst, dass du als Trainer immer wieder reagieren musst. Ich wünsche mir so eine Leistung dann schon mal über einen längeren Zeitraum als eine Halbzeit."

Im Fall Philippe zeigt Scherning "Reue" und zieht die erfolgreiche Konsequenz

Gleichwohl war Braunschweigs Dreier unstrittig verdient. Zudem sei "sehr wichtig, wie so ein Sieg zustande kommt", betont Kaufmann. "Wenn man sich drei Punkte ermauert, am Ende in der Kabine sitzt und sich denkt, heute waren alle Fußballgötter auf unserer Seite - dann nimmt man das zwar auch gerne mit. Aber man weiß: Oft wird das so nicht mehr passieren."

Überdies scheint die Kennenlernphase zwischen Scherning und seinem Team noch gar nicht abgeschlossen, was noch immer weitere Früchte verspricht. Bestes Beispiel in Wiesbaden: Philippe (23), der gegen Fürth gar nicht im Kader stand, nun als Joker nach der Pause eine tragende Rolle spielte. Vergangene Woche habe er im Nachhinein "bereut", den fußballerisch starken Franzosen nicht ins Aufgebot genommen zu haben, gibt Scherning zu. "Ich sehe seine Qualität im Training. Dieses Element hätte uns auch gegen Fürth gut getan." Aus dieser Erkenntnis zog der Coach also die Konsequenz - und wurde prompt vom Erfolg bestätigt. Dass in Braunschweig derzeit etwas wächst, ist unübersehbar. Wohin es für den nach wie vor relativ weit abgeschlagenen Vorletzten führt, steht in den Sternen. "Totgesagte leben länger", prophezeit Kaufmann. "Mal sehen, ob das nicht wieder mal zutrifft."

Thiemo Müller

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