Bundesliga (D)

Vor 50 Jahren: Arminias gekauftes Tor auf Schalke

Der Bundesliga-Skandal beginnt

Vor 50 Jahren: Arminias gekauftes Tor auf Schalke

Skandaltor: Gerd Roggensack (Mi.) schießt gegen Torwart Dieter Burdenski (re.) und Jürgen Michael Galbierz (li.) das entscheidende Tor.

Skandaltor: Gerd Roggensack (Mi.) schießt gegen Torwart Dieter Burdenski (re.) und Jürgen Michael Galbierz (li.) das entscheidende Tor. imago images

Der kicker nennt es in seiner Ausgabe nach dem 28. Spieltag der Saison 1970/71 "haarsträubend, was sich einige Schalker Spieler leisteten", bei dieser 0:1-Heimniederlage im Westfalenderby gegen Arminia Bielefeld. "In der Abwehr gab es nie gesehene Schnitzer, im Mittelfeld lief mit Ausnahme von Lütkebohmert überhaupt nichts, und vorne herrschte totales Schweigen." Unruhig wird es dagegen mit zunehmendem Spielverlauf unter den 15.000 in der Glückauf-Kampfbahn. Angesichts der drückenden Überlegenheit der auf Platz 15 liegenden Gäste beim Tabellenvierten wird mehrmals "Schiebung" von den Rängen gerufen...

Was an jenen Tagen noch niemand ahnt: Die Zuschauer liegen mit ihrem Gespür richtig. Der Bielefelder Sieg auf Schalke kommt durch Betrug zustande. Arminias Tor, das Arminias Gerd Roggensack in der 83. Minute ohne wirkliche Gegenwehr erzielt, ist gekauft. Am 17. April 1971, also an diesem Samstag vor genau 50 Jahren, beginnt damit eines der dunkelsten Kapitel des deutschen Fußballs - eine Bestechungsaffäre mit zahlreichen verschobenen Spielen, die später als "Bundesliga-Skandal" in die Geschichte eingeht.

Arminias Funktionäre ziehen die Fäden

Bielefelds erfolgreicher Stürmer wird später in einem Interview zu Protokoll geben, man habe von diesem Tag an zwar ob des auf wundersame Weise entstandenen Ergebnisses, das den Weg zum späteren Klassenerhalt ebnete, "in Vermutungen" gelebt, aber: "Wir Spieler können wohl sagen, dass wir mit der ganzen Affäre nichts zu tun haben."

Tatsächlich ziehen vor allem Arminias Funktionäre hinter dem Rücken der eigenen Akteure die Fäden für den großen Betrug. Fußball-Obmann Wilhelm Pieper stößt im sich zuspitzenden Abstiegskampf mit der Idee, den Schalkern mit einem Koffer voll Geld das Verlieren zu versüßen, in der Führung um Klubboss Wilhelm Stute auf offene Ohren. Für 40.000 D-Mark machen die gegnerischen Spieler schließlich mit.

"Mensch Budde, geh' zur Seite!"

Alle Spieler? Nein! Und auch ausgerechnet der Gelsenkirchner Torwart Dieter Burdenski, dessen Wechsel zur neuen Saison nach Bielefeld zu dieser Zeit bereits Form annimmt, ist ahnungslos. Erst eineinhalb Stunden vor dem Spiel stößt er zum Schalker Kader, weil Stammtorwart Norbert Nigbur verletzt passen muss. Von den Mauscheleien bekommt er nichts mit, hält im S04-Kasten fast alles und landet mit kicker-Note 1 sogar in der Elf des Tages. Nur über den Zuruf eines Mitspielers nach seiner x-ten Glanzparade wundert er sich: "Mensch Budde, geh' zur Seite!" Schalkes damaliger Trainer Slobodan Cendic unterdessen tobt nach der Blamage gegen Bielefeld - und spricht auch von Geld: "Ich mache Präsident Siebert den Vorschlag, jeden der Spieler mit 1000 DM Buße zu bestrafen."

Jahrelange Unschuldsbeteuerungen

Der offenbar in die Vorgänge hinter den Kulissen nicht involvierte Vereinsboss Günter "Oskar" Siebert selbst jedoch stellt sich noch einige Zeit hinter seine Mannschaft. "Ich habe eidesstattliche Erklärungen unserer Spieler, die erklären, von keiner Seite Geld geboten beziehungsweise Geld angenommen haben dafür, dass ein Spiel zugunsten von Arminia Bielefeld manipuliert worden sei."

Die meisten Schalker Spieler bleiben sogar noch über Jahre bei ihren Beteuerungen und beschwören sie sogar per Eid vor dem Zivilgericht. Doch die Wahrheit ist eine andere. Gegenbeweise belasten nach umfassenden Ermittlungen später neben den Bielefeldern und vielen anderen Klubs, Funktionären und Spielern auch 13 königsblaue Fußballer derart, dass sie zum Teil nur knapp einer Gefängnisstrafe entgehen - und ihrem Klub für einige Zeit den unschönen Beinamen "FC Meineid 04" einbringen.

1971 - Der betrogene Betrüger und der Bundesliga-Skandal

Michael Richter