Bundesliga (D)

Was für und was gegen Olympique Lyon spricht

Spieler, Taktik, Trainer und Erfahrung

Was für und was gegen Olympique Lyon spricht

Die Freude nach dem Coup gegen Manchester City war groß - doch kann Olympique Lyon die Überraschung gegen Bayern wiederholen?

Die Freude nach dem Coup gegen Manchester City war groß - doch kann Olympique Lyon die Überraschung gegen Bayern wiederholen? imago images

Gerade mal 177 angekommene Pässe, Spielanteile von nur 28 Prozent, 39 Prozent gewonnene Zweikämpfe und sieben Torschüsse - nein, Lyon trat gegen Manchester City alles andere als dominant auf. Und doch reichte es, die Skyblues mit 3:1 zu bezwingen und ins Halbfinale einzuziehen. Auch gegen Bayern ist Lyon Außenseiter. Was spricht für und was spricht gegen das Team von Trainer Rudi Garcia?

Das spricht für Olympique Lyon

Die Underdog-Rolle: Schon gegen Juventus Turin hatte Lyon im Achtelfinale für eine faustdicke Überraschung gesorgt. Das Hinspiel gewann OL mit 1:0 durch ein Tor des inzwischen bei Hertha BSC unter Vertrag stehenden Lucas Tousart. Im Rückspiel gab es zwar eine 1:2-Niederlage, doch die reichte aus, um die Alte Dame aus dem Wettbewerb zu kegeln und die Reise zum Finalturnier nach Lissabon anzutreten. Lyon wird nicht zuletzt aufgrund seines Daseins in der nationalen Liga im Windschatten von PSG (und zuletzt auch von Marseille, Rennes und Lille) gerne unterschätzt. Auch in der Champions League zogen die Franzosen nur in die K.-o.-Runde ein, weil St. Petersburg am letzten Spieltag der Gruppe G bei Benfica patzte (0:3). Aber sie sind ein unbequemer, giftiger Gegner.

Chefcoach Garcia weiß, wie er eine Mannschaft mit diesen Attributen formen muss. 2011 führte er den OSC Lille mit überschaubaren Mitteln zum Double-Gewinn, es war die erste Meisterschaft seit 1954. Marseille marschierte 2018 mit ihm an der Seitenlinie bis ins Europa-League-Finale (0:3 gegen Atletico). Dass er mit Lyon nun für eine weitere Überraschung gesorgt hat, war nicht zu erwarten. Garcia hatte den Klub nach Amtsantritt im Oktober zwar stabilisiert und von Rang 14 auf 7 geführt, der nach Abbruch der Saison zementiert wurde. Für den europäischen Wettbewerb reichte das jedoch nicht. Weil auch das Ligapokal-Finale gegen PSG (5:6 i.E.) verloren ging, droht Olympique in der kommenden Saison erstmals seit 1996 international nicht vertreten zu sein. Genau dieses drohende Schicksal lässt das Team aber zusammenrücken. "Es war das erste Mal, seit ich hier bin, dass ich einen solchen Teamgeist, eine Solidarität in der Mannschaft erlebt habe", sagt Innenverteidiger Marcelo.

Große Effizienz: Mit der Rolle der Unterschätzten kommen der ehemalige Hannoveraner und seine Teamkollegen gut zurecht. Schließlich reichen den Franzosen wenige Chancen, um (fast) das Optimale herauszuholen. Bitter erfahren musste das schon RB Leipzig in der Gruppenphase: Die Sachsen waren im eigenen Stadion zwar tonangebend, doch Lyon nahm durch zwei Treffer drei Punkte mit. Während Bayern mit satten 39 Toren im bisherigen Saisonverlauf ins Halbfinale einzog, reichten Lyon gerade einmal 14 dafür. Allein sechs davon gehen auf das Konto von Memphis Depay, der wohl zu den bekanntesten Namen aus dem aktuellen Kader zählt.

Der omnipräsente Memphis Depay: Der ehemalige ManUnited-Akteur und Kapitän ließ sich auch von einem im Winter zugezogenen Kreuzbandriss nicht ausbremsen. Im Rückspiel gegen Juve verwandelte er den Elfmeter zum letztlich entscheidenden Auswärtstor, ehe er Mitte des zweiten Durchgangs ausgewechselt wurde. Gegen City reichte seine Kraft immerhin schon für 75 Minuten. So sehr der Niederländer im Offensivspiel als wandelnder Linienspieler und als Anspielstation dient - in die Bresche können auch andere springen, allen voran Moussa Dembelé. Der 24-Jährige erzielte in den vergangenen zwei Spielzeiten 31 Tore in 60 Ligaspielen, gegen ManCity war er gleich zweimal als Torschütze zur Stelle, obwohl er Depay erst in der 75. Minute ersetzt hatte. Für Tiefe und Druck auf die Abwehrkette sorgt außerdem Karl Toko Ekambi, der in der Königsklasse zwar noch ohne Treffer ist, aber durch seine Luft Platz für Depay und Co. schaffen kann und genau deshalb gegen Juve und City anstelle Dembelés in der Startelf stand.

Maxwel Cornet

Maxwel Cornet wäre vor zwei Jahren beinahe beim VfL Wolfsburg gelandet - inzwischen hat er seinen Vertrag in Lyon verlängert. Getty Images

Aouar und Cornet - die Gefahr auf links: Für Aufsehen sorgte gegen Manchester Maxwel Cornet, der in Garcias gegen starke Teams bevorzugter 3-5-2-Formation die linke Außenbahn beackert. Cornet - vor zwei Jahren vom VfL Wolfsburg heftig umworben - traf gegen die Citizens nicht nur zum 1:0 (wobei erst beim zweiten Hinsehen auffiel, wie gekonnt sein Flachschuss ins kurze Eck war), sondern fungierte auch als ständiger Unruheherd. Der ivorische Nationalspieler beschäftigt seine Gegenspieler mit dynamischen Läufen, stürmt gerne nach vorne über die letzte Linie, bietet sich als Abnehmer langer Zuspiele an oder macht Lyons Spiel an der Außenlinie klebend breit.

Unterstützung bekommt er von Houssem Aouar, der gegen City im linken Halbraum auftrat, seine Rolle mit großem Radius interpretierte, Räume erkannte, als Taktgeber auftrat und die beiden Vorlagen für das 2:1 und 3:1 gab. Aouar, das nächste vielversprechende Eigengewächs Lyons, ist im Stande, selbst das Dribbling anzuziehen oder den direkten Pass in die Tiefe zu schicken. So verdiente er sich sogar ein Extralob von Kevin De Bruyne ("Er machte ein großes Spiel"). Ihn sichert Winter-Einkauf Bruno Guimaraes (von Paranaense) ab, der im Zentrum hinter Aouar und dem wendigen Maxence Caqueret Löcher stopft und Bälle verteilt.

Das spricht gegen Olympique Lyon

Tempo, Pressing und Tiefe schaffen Unordnung: Bayerns Ziel muss es sein, Lyons Hintermannschaft auf dem falschen Fuß zu erwischen. Als das Spiel gegen Manchester nochmal zu kippen drohte, hatte City-Trainer Pep Guardiola kurz zuvor reagiert und auf eine Viererkette umgestellt. Dadurch wurde ein Platz in der Offensive frei, den Riyad Mahrez mit frischem Schwung und auch größerer Präsenz in der Offensive ausfüllte. Fortan gelang es City, zwischen den Linien und vor der Abwehrreihe des Gegners mehr Spieler zu positionieren, um mit schnellem Passspiel zielstrebiger und temporeicher ins Angriffsdrittel vorzudringen. Die daraus resultierende Unordnung wurde umso größer, wenn es City gelang, durch Pässe zwischen die Verteidiger und hinter die Kette Tiefe ins Spiel zu bringen. Brach der englische Vize-Meister bis zur Grundlinie durch, stimmte die Staffelung im Strafraum Lyons nur selten - unter anderem resultierte daraus der zwischenzeitliche Ausgleich. Bayerns Bereitschaft unter Hansi Flick, den Gegner früh zu stören und unter Druck zu setzen, könnte damit ein Schlüssel für die Münchner werden. Denn das Spiel gegen ManCity hat verdeutlicht, wie gefährlich es wird, wenn Lyon in Ruhe aufbauen und Tempo ausspielen kann. Nicht umsonst wurde Guardiola im Nachgang des Viertelfinals vorgeworfen, viel zu passiv agiert zu haben.

Leo Dubois

Defensiv gefordert: Leo Dubois (M.), hier im Duell gegen Raheem Sterling. Getty Images

Thomas Müller und Co. lauern auf offene Räume: Das hatte schließlich auch zur Folge, dass Lyon viel zu selten auseinander gespielt wurde. Da sich Cornet und sein Pendant Leo Dubois nach hinten fallen ließen und die Dreier- damit zur Fünferkette umfunktionierten, präsentierte sich OL mit einer sehr kompakten Defensive. In statischen Angriffssituationen dürfte Bayern umso mehr auf "Raumdeuter" Thomas Müller setzen, der für ständigen Betrieb sorgt, die Abwehrkette beschäftigt und gefährliche Situationen frühzeitig erkennt. Sowieso gilt es für Bayern, nach Ballgewinn schnell umzuschalten und die Kugel so früh es geht hinter Guimaraes und Co. zu bringen.

Anfällig auf dem rechten Flügel: Chancen für die Münchner könnten sich auf Lyons rechter Abwehrseite ergeben, also dort, wo Leo Dubois aufgeboten wird. Der Rechtsverteidiger und Nationalelf-Vertreter von Benjamin Pavard ist zwar wie sein Pendant Cornet offensivfreudig - dafür neigt der 25-Jährige defensiv zu leichtfertigen und unnötigen Fouls und verliert auch in der Rückwärtsbewegung mal die Orientierung (was verhängnisvoll werden könnte, wenn sein Gegenspieler Alphonso Davies heißt). Kein Wunder also, dass Citys Tor just über jene Seite entstand: Dubois verlor den späteren Vorlagengeber Raheem Sterling aus dem Auge und ließ diesen wenige Momente später bis zur Grundlinie wegziehen. In dieser Szene wurde auch deutlich, dass Jason Denayer, rechter Innenverteidiger, wenig Stabilität geben kann und ähnliche Tempodefizite aufweist wie der zentrale Marcelo.

Knackpunkt Erfahrung: Ein entscheidender Faktor könnte die Erfahrung werden - und hier haben die Bayern die Nase klar vorne. Die voraussichtlichen Aufstellungen zeichnen ein klares Bild: 635 Champions-League-Partien hat die voraussichtliche Startelf der Bayern bestritten (150 Tore), Lyons erste Mannschaft kommt gerade mal auf 159 (16). 681 Länderspiele (174) stehen bei den Münchnern zu Buche, 125 sind es bei OL. Und auch was die Anzahl der Erstliga-Spiele angeht, baut das Flick-Team auf den größeren Erfahrungsschatz: 2820 Spiele (637) haben Manuel Neuer und Co. bestritten. Bei Olympique sind es zusammengenommen gerade mal 1772 (215).

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pau