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Zwischen Himmel und Hölle - der Milliarden-Deal der ESL

Geld aus Saudi-Arabien

Zwischen Himmel und Hölle - der Milliarden-Deal der ESL

Das in Köln beheimatete Unternehmen ESL zählt zu den größten Turnierorganisatoren im eSport weltweit.

Das in Köln beheimatete Unternehmen ESL zählt zu den größten Turnierorganisatoren im eSport weltweit. ESL

Die eSport-Szene brodelt. Seit der Bekanntmachung der Übernahme durch die Savvy Gaming Group am 25. Januar hagelt es Kritik auf ESL und FACEIT. Der Grund: Hinter dem neuen "Big Player" im eSport steckt der saudi-arabische Staatsfond PIF.

Der Geldsegen bringt demnach ordentlich Ballast mit. Organisationen wie Amnesty International werfen dem Regime Saudi-Arabiens rund um Kronprinz Mohammed bin Salman unzählige Menschenrechtsverletzungen vor.

Dazu zählen humanitäre Verstöße gegen das Völkerrecht im Konflikt mit dem Jemen, die Missachtung von Frauenrechten, grausame Bestrafungen und religiöse Diskriminierung. Die internationale Organisation Freedom House bewertet Saudi-Arabien als "nicht frei" mit 7 von 100 möglichen Punkten. Zum Vergleich: Deutschland hat 93.

ESL reagiert auf Kritik

Entsprechend deutlich sind viele Fans in ihrer Kritik an die ESL: Das Unternehmen hätte seine Werte und Visionen verkauft und damit der gesamten eSport-Szene geschadet. Das ließ ESL-Mitbegründer Ralf Reichert nicht unkommentiert.

Auf Twitter reagierte Reichert mit den Worten: "Wir sehen den Change vor Ort und können helfen, anstatt zuzuschauen." Ähnliche Argumente bringen auch Akteure aus dem Fußball immer wieder vor, gut kommen diese aber selten an.

Fans und Kommentatoren vor dem Absprung

Einige Fans riefen wenige Tage nach der Bekanntmachung sogar zum Boykott auf. Im großen Maße wird das wahrscheinlich kaum passieren, einige prominente Szene-Mitglieder haben jedoch ihre eigenen Schlüsse gezogen.

Der britische Counter-Strike-Kommentator Vince Hill hat bereits angekündigt, dass er nicht mehr mit der ESL-FACEIT-Gruppe zusammenarbeiten wird. Kollegin Frankie Ward drückte ebenfalls ihre Bedenken aus - eine Entscheidung hätte sie aber noch nicht gefällt.

eSportswashing

Der Kauf von ESL und FACEIT ist nicht der erste Vorstoß in die eSport-Szene des saudi-arabischen Staatsfonds. 2020 ging das dazugehörige Unternehmen NEOM Sponsorenverträge mit den Wettbewerben LEC und BLAST ein. Beide Deals wurden nach drastischem Widerstand der Community aber aufgelöst.

Darüber hinaus hat der Staatsfond 2021 den Fußballverein Newcastle United gekauft. Olympique Lyon und Inter Mailand sollen folgen. Das sei Sportswashing - so der Vorwurf von Amnesty International. Der Kronprinz versuche den Ruf des Landes mit derartigen Investments rein zu waschen.

Zum Verkauf gezwungen?

Bei all diesem moralischen Ballast stellt sich die Frage: Warum verkaufen ESL und FACEIT an die Savvy Gaming Group? Spätestens seit den geplatzten NEOM-Kooperationen sollte den Unternehmen die Position der Fangemeinschaft bekannt sein.

Der Grund ist, wie so häufig, das Geld. 1,5 Milliarden US-Dollar sind eine große Summe, zumal der Staatsfond Zugang zu deutlich mehr finanziellen Mitteln hat. In diese Richtung argumentiert auch ESL-CEO Craig Levine in einer Pressemitteilung zur Übernahme. Er verspricht "mehr Know-how, Fähigkeiten und Ressourcen als je zuvor".

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    Dieses Geld wird dringend gebraucht, denn Turnier-Organisatoren kämpfen seit Jahren gegen die roten Zahlen. Großevents in Arenen mit Millionen-Preisgeldern und hoher Übertragungsqualität lassen sich in einer Welt der kostenlosen Streams ohne den Verkauf von Übertragungsrechten kaum finanzieren.

    Keine neue Entwicklung

    In der Diskussion geht außerdem etwas unter, dass bereits seit vielen Jahren Geld aus fragwürdigen Quellen in die Kassen von eSport-Unternehmen fließt. Der saudi-arabische Staatsfond besitzt Anteile zahlreicher Videospielhersteller.

    Zudem beherrscht Tencent große Teile des eSport-Marktes. Der Megakonzern hat enge Verbindungen zur chinesischen Regierung, die ebenfalls streng beobachtet wird wegen diverser Menschenrechtsverletzungen. Neu ist das mit Zweifeln behaftete Geld daher nicht, die Abneigung dagegen scheint jedoch zuzunehmen.

    Christian Mittweg