Bundesliga (D)

Alvarez, Bellingham, Bensebaini: BVB-Elefantenrunde tagt

Sportliche Analyse in Dortmund hat begonnen

Alvarez, Bellingham, Bensebaini: BVB-Elefantenrunde tagt

Wer trägt künftig das BVB-Trikot? Edson Alvarez, Ramy Bensebaini und Jude Bellingham (v.li.).

Wer trägt künftig das BVB-Trikot? Edson Alvarez, Ramy Bensebaini und Jude Bellingham (v.li.). imago images (3)

Mats Hummels war einer der ersten BVB-Profis, der am Tag nach dem 2:2 gegen Mainz die Kraft aufbringen konnten, ein paar Zeilen an die eigenen Fans zu richten, die ihre Mannschaft so würdig aufgefangen hatten nach der verpassten Titelchance. "Die Reaktion von euch im Stadion war genau das, was diesen Verein ausmacht", schrieb der Routinier bei Instagram. "Klar waren erst alle enttäuscht und wussten nicht, wohin mit den Emotionen. Und trotzdem blieb das Stadion beinahe komplett gefüllt. Eure Anfeuerungen und Aufmunterungsversuche waren außergewöhnlich."

Am Montag bedankte sich unter anderem auch Julian Brandt beim schwarz-gelben Anhang. Der Ballkünstler bewies dabei, dass er auch mit der Sprache jonglieren kann und schrieb fast schon lyrisch: "Borussia Dortmund ist Ruhrpott, Borussia Dortmund ist auch mal ungemütlich zu sein. Borussia Dortmund ist ungeschönt und ehrlich. Borussia Dortmund hat Ecken und Kanten und das ist auch gut so. Borussia Dortmund ist aber auch aufopferungsvoll, Verlässlichkeit, bedingungslose Liebe und zusammen zu stehen, auch und vor allem in den bittersten Momenten."

Es zerfrisst mich, dass all das und vor allem diese brutale Rückrunde nicht gekrönt wurde.

Marius Wolf

"Julian Brandt spricht mir aus der Seele", schrieb später Rechtsverteidiger Marius Wolf und ergänzte: "Was dieses Team in dieser Saison wegstecken musste an gesundheitlichen Rückschlägen, wie oft wir uns angeschlagen und lädiert in die nächste Schlacht geworfen haben, wie viel Blut und Tränen hinter verschlossenen Türen für den Erfolg flossen. Es zerfrisst mich, dass all das und vor allem diese brutale Rückrunde nicht gekrönt wurde." Der Schmerz werde sicher irgendwann weniger, "aber was bleibt sind die Momente und Menschen, mit denen man das erlebt. Ihr unglaublichen, weltbesten und einzigartigen Fans bleibt für immer eine Motivation für diesen Verein alles zu geben, was man hat."

Worte, die weit über das übliche Maß hinausgehen

Der Dank der BVB-Profis an den eigenen Fans, für die Brandt, Wolf und Hummels exemplarisch standen, ging weit über das übliche Maß hinaus. Ihre Zeilen hatten nichts mit dem Social-Media-Einheitsbrei zu tun, den man sonst häufig von Fußballern liest, die diese Arbeit von Agenturen erledigen lassen.

Es waren Worte, die authentisch waren - und die verdeutlichten, welche Wucht die Fans mit ihrer beeindruckenden Reaktion auf das sportliche Scheitern der Mannschaft entfaltet hatten. Der BVB durfte am vergangenen Wochenende zwar seinen Briefkopf nicht um einen weiteren Titel ergänzen, die emotionale Strahlkraft des Klubs aber erhielt dank der Fans einen massiven Schub, der in dieser Form noch vor einem Jahr schwer vorstellbar gewesen wäre.

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Trainer Edin Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl ist es zweifellos gelungen, in ihrem ersten Jahr im jeweiligen Amt Mannschaft und Fans wieder zusammenzuführen. Doch auch das Team, das sich im Winter zusammenraufte und zu einer Einheit heranwuchs, hat daran seinen Anteil. Es ist genau diese Basis, aus der die Menschen innerhalb des Klubs die Hoffnungen ziehen, dass die derzeit noch herrschende große Leere in baldiger Zukunft, wenn der Schmerz nachgelassen hat, in eine große Lust umschlägt.

In eine große Lust auf mehr, die Kräfte freisetzt und ein Jetzt-erst-Recht-Gefühl erzeugt, das andernorts schon so manche Erfolge ermöglicht hat. Allen voran beim FC Bayern, der aus dem verlorenen "Finale Dahoam" 2012 die Motivation zog, im Folgejahr einen neuen Anlauf auf den Titel zu starten. Das Vorhaben gelang - im deutschen Finale von Wembley besiegten die Münchner den BVB, der die Entschlossenheit des FCB damals zu spüren bekam, je länger die Partie auf Messers Schneide stand.

Watzke: "Das muss eine Verpflichtung sein, jetzt weiterzumachen"

"Die Fans haben uns so großartig unterstützt, uns so viel Support gegeben, selbst nach dem Spiel, mitten in diesem Schmerz. Das muss eine Verpflichtung sein, jetzt weiterzumachen", hatte Klubboss Hans-Joachim Watzke am Sonntag bereits gegenüber dem kicker einen Auftrag aus der Reaktion der Fans formuliert.

Am Dienstag nun werden die Planungen für die kommende Saison konkretisiert. Gemeinsam mit dem externen Berater Matthias Sammer setzen sich Watzke, Kehl und Terzic zur obligatorischen Saisonanalyse zusammen, aus der Abteilungen für die nächste Spielzeit gezogen werden sollen. Es soll in der sogenannten Elefantenrunde unter anderem darum gehen, wo Verbesserungsbedarf liegt, wie man sich zukünftig öffentlich im Titelkampf positionieren möchte und wie die zu erwartenden Transfereinnahmen für Jude Bellingham, der vor einem Wechsel zu Real Madrid steht, eingesetzt werden sollen.

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In Linksverteidiger Ramy Bensebaini, der ablösefrei von Borussia Mönchengladbach nach Dortmund wechseln soll, steht der erste Transfer bereits so gut wie fest. Einzig die Vollzugsmeldung fehlt noch. Großes Interesse besteht außerdem am Mexikaner Edson Alvarez, der bei Ajax Amsterdam unter Vertrag steht und sowohl als Sechser als auch als Innenverteidiger einsatzfähig ist.

Für die offensiven Flügel hat man im vergangenen Winter bereits durch den Transfer von Julien Duranville einen Vorgriff geleistet, der sich fast bereits im Saisonfinale ausgezahlt hätte. Der Youngster zeigte gegen Mainz ein starkes Debüt und deutete in seinen Dribblings an, welch ein Rohdiamant er ist.

Umbruch in moderatem Maße

Klar ist, dass der im vergangenen Sommer eingeleitete Umbruch fortgesetzt werden soll, wenn auch in moderaterem Maße. Zwar stehen in Mahmoud Dahoud, den es ablösefrei zu Brighton zieht, Felix Passlack (VfL Bochum), Raphael Guerreiro, Anthony Modeste und Luca Unbehaun (Ziele unbekannt) bereits fünf Abgänge fest, zu denen sich als Nummer sechs in Bälde Bellingham gesellen wird.

Doch nicht alle Positionen sollen Eins-zu-eins ersetzt werden, damit der zuletzt sehr große Kader etwas schmaler wird. Da weitere Abgänge denkbar sind - etwa Thomas Meunier oder Nico Schulz -, wartet dennoch reichlich Arbeit auf Kehl.

Forciert werden soll außerdem die hierarchische Neuordnung. Nicht nur, weil in Bellingham der bisherige dritte Kapitän den Klub verlässt. In Nico Schlotterbeck und Gregor Kobel stehen geborene Führungspersönlichkeiten im Kader, auch Niklas Süle bewies seine Qualitäten als Leader im Laufe der Saison deutlich nach.

Sie noch stärker einzubinden, dürfte das Ziel der sportlichen Führung sein - auch wenn das zu Lasten des bisherigen Kapitäns Marco Reus gehen könnte. Der Routinier, dessen Traum vom ersten Meistertitel am Samstag ebenfalls jäh platzte, verlängerte seinen auslaufenden Vertrag zwar noch einmal um ein Jahr, doch bereits in dieser Saison war erkennbar, dass seine Einsatzzeiten zurückgehen.

Unmut bei BVB-Fans wegen Reus' Verhalten

Dass Reus, der gegen Mainz trotz seiner frühen Einwechslung kein sportlicher Faktor war, sich - anders als etliche seiner Mitspieler - weder am Samstag im Stadion noch am Sonntag bei den am Trainingszentrum in Brackel wartenden Fans bedankte, sorgte zudem für Unmut beim schwarz-gelben Anhang.

Der geborene Dortmunder versuchte am Montag, die Situation zu erklären: "Eure Reaktion nach dem Spiel hat mich emotional komplett überwältigt. Ich war sprachlos und im ersten Moment auch total verloren", schrieb er bei Instagram. "Ich weiß, ihr habt mich zu euch gerufen - aber ich war in diesem Moment zu gebrochen, um in eure Arme zu kommen. Trotzdem habt ihr mir mit eurer positiven Reaktion verdeutlicht, wofür es sich lohnt zu kämpfen. Danke."

Matthias Dersch

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