Bundesliga (D)

SGS Essen in der Frauen-Bundesliga: "Lizenzklubs fahren auf"

"Klein gegen Groß" in der Frauen-Bundesliga

Das Los der SGS Essen: "Man merkt, dass die Lizenzklubs immer mehr auffahren"

Nicht nur hinterherlaufen will die SGS wie hier Lena Ostermeier (li.) gegen Lena Lattwein (Wolfsburg).

Nicht nur hinterherlaufen will die SGS wie hier Lena Ostermeier (li.) gegen Lena Lattwein (Wolfsburg). picture alliance / foto2press

Der Saisonstart kam nicht überraschend. Gegen Meppen gewann die SGS Essen 1:0, kassierte darüber hinaus indes zwei Niederlagen - ein 0:4 bei Liga-Primus Wolfsburg und ein 2:5 beim SC Freiburg. Somit geht der Blick nach unten - der Frauen-Bundesligist sucht aktuell nach Top-Form und Faden. "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen", erklärt Abwehrspielerin Lena Ostermeier. Das sei ersichtlich - und kommt nicht von ungefähr. Wieder wurde das Team doch deutlich verändert, muss sich darum erst finden. Das normale Leben in Essen, so sieht es Ostermeier - und bekräftigt: "Wir sind bereit für die neuen Herausforderungen." Den Klassenkampf, als kleiner Klub gegen all die großen.

4. Spieltag

Neben der SGS Essen befindet sich in Turbine Potsdam nur ein weiterer reiner Frauenfußballverein in Deutschlands Elite-Liga, die restlichen Teams werden von Lizenzklubs ins Rennen geschickt, haben andere strukturelle und finanzielle Optionen. "Es stimmt, dass die Lizenzvereine immer mehr auffahren und oben mitspielen möchten", sagt Ostermeier, die seit 2012 für die SGS spielt. "Da sieht man den Unterschied zwischen uns, dem kleinen, familiären Klub, der sich über den Frauenfußball definiert." Und damit lange Zeit erfolgreich war.

Allerdings: In den vergangenen zwei Jahren geriet die SGS ins Trudeln. Auf Platz acht folgte Rang zehn und der Klassenerhalt am allerletzten Spieltag. "Einige Faktoren" kamen laut Ostermeier dafür zusammen: Eine Corona-Welle erwischte das Team; manch gute Leistungen wurde nicht mit Punkten belohnt. Und wenn sich das wiederhole, "dann setzt es sich manchmal im Kopf fest". Triftige Gründe für die mit sechs Zählern schwächste Rückserie der Vereinshistorie. Ein weiterer und gewichtiger ist der massive Qualitätsverlust: Sara Doorsoun (2018), Linda Dallmann (2019), Lea Schüller, Lena Oberdorf, Marina Hegering, Turid Knaak (jeweils 2020) und Jana Feldkamp sowie Nicole Anyomi (jeweils 2021) verließen die SGS allesamt in den vergangenen Jahren.

Nationalspielerinnen und Top-Kräfte, die in Essen ausgebildet wurden und letztlich den nächsten Schritt anstrebten. Sie gingen nach Wolfsburg, Bayern, Frankfurt, Hoffenheim oder - wie im Fall der inzwischen Ex-Spielerin Knaak - zu Atletico Madrid, den großen Vereinen. Diese Entwicklung setzte sich auch in diesem Sommer fort: Jill Bayings, Selina Ostermeier und Elisa Senß schlossen sich Bayer Leverkusen an; Carlotta Wamser ging zu Eintracht Frankfurt. Wie also kann sich die SGS auf Dauer wehren? Kann sie es überhaupt?

Popp findet es "mega schwer"

Nationalstürmerin Alexandra Popp hat gewisse Zweifel angemeldet. Für Potsdam und Essen werde es "mega schwer, sich über längere Zeit zu halten", sollten die deutschen Lizenzvereine - wie in England - nachhaltig in den Frauenfußball investieren, sagte sie. Eine Äußerung, die SGS-Trainer Markus Högner konterte: "Ich wundere mich über solche Aussagen und finde es erstaunlich, dass sich Spielerinnen so viele Gedanken über die SGS machen. Im Männerfußball höre ich nicht, dass ein Thomas Müller sagt, für eine Mannschaft wie Greuther Fürth werde es schwierig." Wobei nicht zu verhehlen ist, dass die Lage für seinen Klub komplexer wird. Das Engagement der Lizenzvereine in den Frauenfußball steigt, auch der BVB und Schalke sind nunmehr dabei.

Und, so formulierte es Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg unlängst: "Dortmund ist nicht weit weg von Essen. Wenn Talente in der Region sind und der BVB drei-, vier-, fünfmal hintereinander aufgestiegen ist, dann ist da eine große Konkurrenz, dann ist da eine andere Infrastruktur und dann sind andere Talentwege möglich." Für Essen werde es ein "Kraftakt". Einer, den Essens Coach Högern meistern will. Zumal "Dortmund und Schalke gerade erst angefangen haben. Bis sie mal oben sind, dauert es also noch eine Zeit".

Högner blickt auf die Talentförderung

Er lebe "im Hier und Jetzt. Wir müssen zusehen, dass wir unsere Leistungen stabilisieren. Was dann kommt im Frauenfußball, muss man schauen", sagte Högner - und fokussiert sich auf dreierlei: Die Talentförderung - mit 22 Jahren im Schnitt stellt die SGS das jüngste Team der Liga - bleibt der einzige Weg. Die Infrastruktur muss ausgebaut werden, wobei neben dem Hybridrasen bald ein Funktionsgebäude mit Kabinen und Kraftraum platziert werden soll. Zudem geht der Sport mit Schule, Arbeit, Studium oder Ausbildung weiterhin Hand in Hand - nachmittags wird trainiert, vormittags bleibt Zeit, um die zweite Karriere vorzubereiten, ehe die erste vorbei ist. "Es wird darauf geachtet, sich neben dem Fußball eine Basis zu schaffen", sagt Essens Ostermeier.

Ein Modell mit Zukunft? "Uns zu behaupten", erklärt Högner, "ist ein großer Ansporn." Dafür arbeiten sie hart im Ruhrgebiet und hoffen zudem, "dass es irgendwann ein Umdenken gibt. Dass also unser Verein unterstützt wird, weil wir eben nur vom Frauenfußball leben", sagt Ostermeier. "Es könnten noch mehr Leute ins Stadion kommen. Das würde uns sehr helfen, gerade bei Heimspielen - da gibt uns die Unterstützung häufig einen Schub. Finanziell wäre es ebenfalls hilfreich. Und darüber hinaus könnten mehr Merchandise-Artikel verkauft werden und mehr Sponsoren kommen." Es seien also, glaubt Ostermeier, Möglichkeiten vorhanden.

Man könnte auch von "Chancen" sprechen. Von "Chancen" für die SGS, in diesem knallharten Wettbewerb zu überdauern.

Leon Elspaß

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