2. Bundesliga (D)

Dudziaks Comeback: Tragischer Held statt Triumphator

Herthas Allrounder mit seinem ersten Einsatz seit Ende September

Dudziaks Comeback: Tragischer Held statt Triumphator

Bitteres Comeback: Jeremy Dudziak.

Bitteres Comeback: Jeremy Dudziak. imago images

Als Jeremy Dudziak Mitte Januar mit dem kicker darüber sprach, was war, und darüber, was kommt, da sagte er: "Ich habe in 2023 mein Karma gut aufgeladen, 2024 wird alles besser." Das kann immer noch so kommen, vermutlich wird es das auch, aber einen klitzekleinen Moment war das, was Dudziak vom Jahr 2024 erwartet, dem Jahr 2024 am Freitagabend im Berliner Olympiastadion herzlich egal. Den Schuss von Kiels Finn Porath, der eher eine Gefahr für die Balljungen als für Hertha-Keeper Tjark Ernst darstellte, fälschte Dudziak in der 81. Minute ab - zum Kieler Anschlusstor, das die Grundlage legte für den Last-Minute-Ausgleich.

Zwei Minuten vor jenem ersten Holstein-Treffer vergab der eingewechselte Dudziak nach feinem Solo das mögliche 3:0 - und die Entscheidung. Statt zum Triumphator wurde der gebürtige Hamburger bei seinem ersten Einsatz seit Ende September (1:2 gegen St. Pauli) zum tragischen Helden.

"Jeremy war gegen Kiel nach ein paar Minuten Anlaufzeit gut im Spiel", sagt Herthas Sportdirektor Benjamin Weber. "Bei seinem Solo machte er bis zum Abschluss alles richtig, dann hätte er vielleicht nochmal hochschauen können." An drei Kielern war Dudziak nach dem Zuspiel von Pascal Klemens vorbeigedribbelt, an Holstein-Keeper Timon Weiner scheiterte er. Ein Tor wäre das i-Tüpfelchen nach langer Leidenszeit gewesen, so wurde angesichts des späten 2:2 das Comeback des Sommer-Neuzugangs nach auskuriertem Mittelfußbruch zu einer Geschichte in Moll.

"Er bringt unserem Spiel Ballsicherheit, Struktur und Erfahrung"

In den Wochen vor der Kiel-Partie hatte der Allrounder, der auf beiden Außenverteidiger-Positionen, auf der Doppel-Sechs und der Acht spielen kann, bereits viermal im Spieltagskader gestanden. Gegen Holstein war nach etwas mehr als einer Stunde die Zeit reif für ihn. "Wir sind froh, dass Jeremy wieder zurück ist", sagt Weber. "Er bringt unserem Spiel Ballsicherheit, Struktur und Erfahrung." Und erweitert im zentralen Mittelfeld, wo Trainer Pal Dardai seit Monaten nach der optimalen Besetzung fahndet, die Optionen.

Hinter Dudziak liegt, im Wortsinn, ein Katastrophenjahr 2023. Als die südöstliche Türkei in der Nacht des 6. Februar 2023 von einem Erdbeben heimgesucht wurde, war der frühere deutsche U-21-Nationalspieler mittendrin. Kurz zuvor war er auf Leihbasis von Greuther Fürth zum Süper-Lig-Klub Hatayspor gewechselt. Der Verein aus der Stadt Antakya zog sich nach der Tragödie aus der Süper-Lig-Saison 2022/23 zurück, die Türkei und Syrien beklagten insgesamt fast 60.000 Todesopfer. "Ich hatte das große Glück, dass ich überlebt habe. Ich bin als anderer Mensch aus 2023 rausgegangen, als ich ins Jahr 2023 reingegangen bin", sagt Dudziak. "Die Gewichtung im Leben hat sich verändert, auch mein Blick aufs große Ganze."

Ich habe definitiv weiter Bock auf Berlin und Hertha.

Jeremy Dudziak

In Berlin fand er den Spaß am Fußball wieder, auch der Mittelfußbruch und die folgende, recht langwierige Schmerzproblematik konnten daran nichts ändern. Falls Hertha in dieser Saison nicht aufsteigt, endet Dudziaks Vertrag am 30. Juni - im anderen Fall verlängert er sich bis 2025. Der bei Borussia Dortmund ausgebildete Dudziak würde gern bleiben, wie er dem kicker schon im Januar verriet: "Ich habe definitiv weiter Bock auf Berlin und Hertha." Und Hertha hat dem Vernehmen nach auch weiterhin Bock auf ihn. Vertragsgespräche fanden noch nicht statt, sind aber geplant. Vorab-Hinweis ans Karma: Nächster Halt auf Dudziaks Comeback-Tournee ist am Sonntag das Gastspiel bei seinem Ex-Klub FC St. Pauli.

Steffen Rohr