Nationalteam

Hinteregger: "Besser war die österreichische Nationalmannschaft noch nie"

Der Ex-Teamspieler im kicker-Interview

Hinteregger: "Besser war die österreichische Nationalmannschaft noch nie"

Martin Hinteregger war beim bisher letzten Duell mit Deutschland noch aktiv. Beim 2:1-Sieg trug er sich selbst in die Schützenliste ein.

Martin Hinteregger war beim bisher letzten Duell mit Deutschland noch aktiv. Beim 2:1-Sieg trug er sich selbst in die Schützenliste ein. imago/HMB-Media

Herr Hinteregger, vor gut fünf Jahren standen sich Österreich und Deutschland zuletzt gegenüber. Sie haben beim 2:1-Sieg getroffen. Auch wenn es nur ein Freundschaftsspiel war: Gegen Deutschland gewinnt man doch besonders gerne, oder?

Ja, aber selten. Oft haben wir Österreicher nicht gewonnen. Es ist natürlich etwas ganz Besonderes, es hat einfach eine Derby-Atmosphäre. Die Deutschen sehen uns als kleinen Bruder und deshalb ist es auch für sie ein anderes Spiel im Vergleich zu Partien gegen Schweden oder Belgien.

Testspiel

Oft wird diese Rivalität zwischen Österreich und Deutschland von medialer Seite hochstilisiert. Ist das auch Ihre Wahrnehmung oder ist Österreich auch für Deutschland der große Rivale?

Österreich möchte sich natürlich beweisen, um nicht als Skifahrer-Nation abgestempelt zu werden. Österreich will zeigen, dass es sehr wohl eine Nation ist, die auch gut Fußball spielen kann. Für die Deutschen ist es eine Prestigesache, dass sie klar die Nase vorne haben und Österreich noch lange nicht an sie herankommt. Deshalb ist es auch für Deutschland ganz wichtig, gegen uns zu gewinnen.

Mittlerweile spielt der halbe österreichische Kader in der deutschen Bundesliga. Ist das ein Fakt, der die Brisanz dieses Duells zusätzlich befeuert?

Auf jeden Fall. Wir kennen natürlich viele deutsche Nationalspieler, aber genauso kennt man in Deutschland viele unserer Spieler. Das macht es noch einmal spezieller. Wenn man dann nach dem Spiel wieder zurück nach Deutschland kommt, möchte man schon etwas Positives erzählen können und will eben nicht als kleine Nation abgestempelt, sondern hoffentlich irgendwann einmal als ebenbürtige angesehen werden.

Welche Erinnerungen haben Sie an den 2:1-Sieg vor mehr als fünf Jahren?

Das Spiel stand aufgrund der starken Regenfälle kurz vor der Absage. Für mich war es natürlich ein Heimspiel, weil wir im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt gespielt haben. Wir haben gewusst, dass es für die Deutschen der letzte Test vor der Weltmeisterschaft ist. Dementsprechend war klar, dass sie noch einmal richtig Gas geben wollen. Für uns hingegen war es das letzte Freundschaftsspiel vor der Sommerpause. Wir wollten schon zeigen, dass wir mit einem WM-Titelkandidaten mithalten können.

Das hat bekanntlich funktioniert. Den einen oder anderen Spieler der Deutschen haben Sie bestimmt persönlich gekannt. Gab es nach dem Spiel auch Sticheleien?

So richtig gekannt habe ich damals noch keinen, wir haben uns da vielmehr aufs Feiern konzentriert. Erst als wir dann ein paar Monate später wieder nach Deutschland zu unseren Vereinen gekommen sind und da den einen oder anderen Mitspieler oder Gegenspieler getroffen haben, haben wir das noch ein wenig - sagen wir - ausgelebt (lacht).

Österreich vs. Deutschland

Sie haben oft bemängelt, dass es einen "vorgegebenen Weg" über die Akademie zum Profifußballer gibt. Jetzt hat Österreich einen Neuen im Team, der einen anderen Weg gegangen ist: Maximilian Entrup hat den Sprung über die Regionalliga geschafft. Sie setzen sich mit "Coach13" genau für solche Spieler ein. Stimmt Sie diese Einberufung positiv?

Das stimmt mich auf jeden Fall sehr positiv. Es beflügelt auch, dass es immer wieder Spieler gibt, die es auch auf diesem Weg ins Nationalteam schaffen. Was mich beschäftigt oder wo ich immer ein wenig grüble: Ob ein Maximilian Entrup oder ein Marco Grüll, der auch schon einige Male im Nationalteam dabei war, ob diese Spieler noch früher oder noch öfter dabei gewesen wäre, wenn sie in jungen Jahren von mir eine professionelle Betreuung im Training bekommen hätten. Das gilt es eben für mich herauszufinden. Aber der Eindruck bestätigt, dass meine Denkweise sicher ein zusätzlicher Faktor für positive Entwicklung im Kärntner Fußball oder im landesweiten Fußball sein wird.

Was ist das Konzept Ihres Projekts?

Es gibt einfach sehr viele Spieler, die oft unter dem Radar sind und durchfallen. Es ist mir ein Anliegen - sollte jemand nicht den Sprung in die Akademie schaffen -, dass er noch eine zweite Chance bekommt. Ich denke, dass wir in Kärnten fußballerisch schon ein wenig hintennach sind in der Gesamtentwicklung. Deshalb ist uns ganz wichtig, dass kein Spieler durchfällt, auch wenn er ein Spätentwickler ist. Dieses Projekt ist immer noch im Aufbau, aber es nimmt immer mehr Formen an. Ich glaube an das Potenzial dieser jungen Spieler.

Max Entrup und die Regionalliga-Truppe des ÖFB

Die deutsche Nationalelf hat schwierige Zeiten hinter sich. Hansi Flick musste seinen Trainerstuhl für Julian Nagelsmann freimachen. Sie kennen beide Trainer aus der Bundesliga. War der Trainerwechsel wenige Monate vor der Heim-EM die richtige Entscheidung?

Wenn man die Tendenz gesehen hat, würde ich Ja sagen. Trotzdem wissen wir alle, dass Hansi Flick ein hervorragender Trainer ist und auch schon bewiesen hat, dass er überragend arbeiten kann. Deshalb kann man es nie wissen. Vielleicht wäre der Turnaround auch unter Hansi Flick gekommen, aber grundsätzlich wird man es in den nächsten Spielen oder spätestens bei der EM sehen, ob es der richtige Schritt war. Aber Entscheidungen müssen getroffen werden, so ist das Fußballgeschäft.

War dieser Trainerwechsel dennoch ein Risiko, nicht nur aufgrund des Zeitpunktes, sondern auch wegen der Personalie Nagelsmann? Hansi Flick ist doch schon deutlich länger im Geschäft.

Ich würde nicht sagen, dass Julian Nagelsmann die Erfahrung fehlt. Er hat schon bewiesen, dass er es kann und genießt trotz seines jungen Alters bei extrem vielen Spielern ein sehr hohes Ansehen. Es ist im Fußball so, dass es eine neue Trainergeneration gibt und diese Trainer sind absolut positiv für die Entwicklung der Spieler.

Die DFB-Elf braucht Ergebnisse. Steht Deutschland gegen Österreich noch mehr unter Druck, zu gewinnen?

Natürlich, Österreich gegen Deutschland ist immer brisant und die Deutschen müssen dieses Spiel gewinnen. Es wäre aus deutscher Sicht auch im Hinblick auf die Europameisterschaft von Vorteil, wenn man ein paar Spiele gewinnt, um Selbstsicherheit zu tanken und sich einzuspielen. Dafür ist das Spiel gegen Österreich ein richtiger Härtetest.

Wissen Sie eigentlich, gegen welche Mannschaft Sie in Ihrer Karriere die meisten Tore erzielt haben?

Puh, gute Frage. Das könnten die Bayern sein.

Richtig. Vier an der Zahl. Der eine oder andere Bayern-Spieler ist heute noch in der Nationalmannschaft. Was braucht es, um die deutsche Abwehr knacken zu können?

(lacht) Ich weiß, worauf die Frage abzielt, aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Deshalb gibt es da auch von meiner Seite keine Tipps. Das österreichische Nationalteam ist momentan sehr gut eingespielt und macht jedes Spiel einen Schritt nach vorne. Die wissen schon ganz genau, wie sie gegen diese deutsche Abwehr Tore machen können.

Dann reden wir wirklich vom Niveau von England, Italien oder generell der Elite. Mit dem Trainer ist es auch möglich, dorthin zu kommen.

Martin Hinteregger streut der Rangnick-Elf vor dem Deutschland-Spiel Rosen

In souveräner Manier hat sich Österreich für die EM qualifiziert. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Teams?

Das Spielermaterial wird immer besser. Wir haben so viele Spieler bei absoluten Top-Mannschaften. Inter Mailand, Real Madrid, Bayern München, Leipzig, Leipzig und nochmal Leipzig und was weiß ich noch. Wenn noch drei, vier Spieler bei solchen Mannschaften Stammspieler sind, der Sabi (Marcel Sabitzer, Anm.) bei Dortmund - dann reden wir wirklich vom Niveau von England, Italien oder generell der Elite. Mit diesem Trainer ist es auch möglich, dorthin zu kommen. Die Spielerentwicklung ist zurzeit überragend, deswegen ist der Weg der richtige. Besser war die österreichische Nationalmannschaft noch nie.

Schon 2016 war die Euphorie nach der Qualifikation für die EM-Endrunde groß. Doch die Mannschaft, der auch Sie angehört haben, scheiterte in der Gruppenphase. Könnte ein ähnliches Szenario drohen, wenn die Erwartungen wieder so hoch sind?

Klar kann das eintreten. Trotzdem ist es ein Unterschied, ob man das erste Mal bei einer Europameisterschaft ist oder das dritte Mal. Und es gibt nunmal einige Spieler, die schon zwei Turniere gespielt haben. Die Erfahrung kann da schon entscheidend sein. Trotzdem muss man sagen, dass die Mannschaft von 2016 sicher nicht das Niveau gehabt hat. Ich glaube, da würden mir alle Spieler, die 2016 dabei waren, zustimmen, dass wir zwar eine richtig gute Mannschaft hatten, aber das Niveau der aktuellen Mannschaft noch einmal eine Stufe darüberzustellen ist.

Sie haben unlängst behauptet, den Profifußball und Spiele des Nationalteams nicht mehr ganz so regelmäßig zu verfolgen - weder vor Ort noch im TV. Das Spiel gegen Deutschland auch nicht?

Nein, also dieses Spiel werde ich mir schon ansehen, aber ganz gemütlich auf der Couch. Wien ist doch ein Stück weit entfernt von Kärnten (lacht).

Wie lautet Ihr Tipp für das Spiel?

3:1 für Österreich.

Interview: Michael Chudik

Julian Nagelsmann (Trainer Deutschland) in der Pressekonferenz nach dem Spiel

Freundschaftsspiel: Deutschland - T?rkei, Berlin, Olympiastadion am 18.11.2023

Nagelsmann über Havertz' neue Rolle: "Große Chance, einer der Topspieler der EM zu sein"

alle Videos in der Übersicht