Bundesliga (D)

Hertha BSC: Thomas Kraft bleibt die Nummer eins

Hertha: Boyata fällt aus, Hoffnung auf Skjelbred

Kraft bleibt die Nummer eins

Gilt als stressresistenter als Rivale Rune Jarstein: Thomas Kraft.

Gilt als stressresistenter als Rivale Rune Jarstein: Thomas Kraft. imago images

"Thomas wird im Tor stehen, das haben wir besprochen", sagte Hertha-Coach Alexander Nouri am Donnerstagmittag. "Wir schenken ihm das Vertrauen." Es sei eine "rein sportliche Entscheidung", betonte Nouri. "Thomas hilft der Mannschaft auch mit seiner Persönlichkeit. Er führt die Mannschaft von hinten. Und er hat im Training und im Spiel den Eindruck vermittelt, dass er der Mannschaft helfen kann."

Der frühere Bayern-Keeper Kraft hatte am Freitag in Düsseldorf (3:3) nach viereinhalb Jahren als Herthas Nummer zwei den Vorzug vor Rune Jarstein erhalten. Der Norweger, im Januar 2014 nach Berlin gekommen, hatte im September 2015 eine Verletzungspause Krafts (Kapselverletzung im Schulterbereich) genutzt, um sich als Nummer eins zu empfehlen und schließlich durchzusetzen. Als Kraft seinerzeit aus dem Lazarett zurück kam, blieb Jarstein im Tor. Jetzt, knapp vier Monate vor dem Ende von Krafts zum 30. Juni 2020 auslaufenden Vertrag, kehrt sich die Hierarchie wieder um. Sportlich ist das nachvollziehbar. Jarstein wirkte in dieser Saison bei weitem nicht so stabil wie in den vergangenen Jahren, die Rotation auf der Position des Torwarttrainers verunsicherte ihn zusätzlich. Jürgen Klinsmann hatte bei seinem Amtsantritt Ende November mit Zsolt Petry Jarsteins Vertrauensmann abgesetzt und für vier Wochen Bundestorwarttrainer Andreas Köpke nach Berlin gelotst. Nach Köpkes planmäßiger Rückkehr zum DFB beförderte Hertha Ende Dezember U-23-Torwarttrainer Max Steinborn zu den Profis. Wenige Stunden nach Klinsmanns Blitz-Rücktritt am 11. Februar gab Manager Michael Preetz Petry grünes Licht für das Comeback im Staff der Profis. Jarsteins Leistungskurve ging allerdings auch danach nicht nach oben. Mit beinahe slapstickhaften Einlagen legte er sich sowohl in Paderborn (2:1) als auch gegen Köln (0:5) jeweils einen Ball praktisch selbst ins Tor - und wirkte insgesamt fahrig.

Kraft gilt als stressresistenter

Der 31-jährige Kraft gilt als stressresistenter und weniger grüblerisch als der vier Jahre ältere Jarstein, er strahlt aktuell fraglos mehr Selbstbewusstsein aus. Allerdings war er in Düsseldorf am Führungstor der Fortuna (6., Karaman) nicht unbeteiligt, als er ohne Not und wenig erfolgversprechend aus dem Tor kam, ohne klären zu können. Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ Kraft bei seinem Comeback in der Halbzeitpause, als er den Kollegen beim Stand von 0:3 und nach einem desolaten ersten Durchgang lautstark ins Gewissen redete. Später gab Kraft öffentlich zu Protokoll: "Ich bin einer der ältesten und erfahrensten Spieler bei uns und hatte einfach das Gefühl, etwas sagen zu müssen. So, wie wir in der ersten Hälfte gespielt haben, mussten wir uns die Frage stellen, ob wir uns weiter abschlachten lassen wollen oder als Mannschaft endlich aufwachen." Die Mannschaft wachte auf - nicht zuletzt dank Kraft, dessen Abschied aus Berlin im Sommer bislang als ausgemacht galt. Die Empfehlung, aktuell auf Kraft zu setzen und mit dem Torwartwechsel einen Impuls zu geben, hatte Torwarttrainer Petry ausgesprochen. "Zsolt arbeitet seit Jahren mit beiden und hat ein Vertrauensverhältnis zu beiden", sagte Nouri. "Das ist ein sehr offener, transparenter Austausch. Es geht darum, gemeinsam die Entscheidung zu treffen, was im Moment das Bestmögliche für das Team ist. Wie das in zwei, drei Wochen aussieht, entscheiden wir dann zusammen."

Kraft und Jarstein im Daten-Vergleich

Bei den reinen Zahlen schneidet Jarstein im Übrigen durchgängig besser ab als sein jetzt an ihm vorbeigezogener Rivale. In den nunmehr gut sechs Jahren, in denen beide gemeinsam bei Hertha unter Vertrag stehen, kassierte Jarstein in 148 Bundesliga-Spielen nur alle 61 Minuten ein Gegentor (Kraft alle 58 Minuten), hatte eine Paradenquote von 68,6 Prozent (Kraft 63,6 Prozent), kam pro 90 Minuten mit 46 auf mehr Ballkontakte (Kraft 42) und spielte pro 90 Minuten im Schnitt 37 Pässe (Kraft 31), von denen 57,7 Prozent ankamen (Kraft 54,5 Prozent). Bedeutet: Jarstein ist bei den spezifischen Torwart-Parametern der bessere, auch der aktivere Keeper als Kraft (64 Bundesliga-Spiele im Vergleichszeitraum, insgesamt 126 BL-Spiele). Allerdings hat sich auch Kraft unter Petry weiterentwickelt und nicht zuletzt sein Spiel mit dem Fuß erkennbar verbessert.

Stark spielt wohl für Boyata

Vor Kraft wird am Samstag derweil eine zentrale Figur fehlen. Abwehrchef Dedryck Boyata, der in Düsseldorf über muskuläre Probleme im Oberschenkel geklagt hatte, aber unbedingt durchspielen wollte, konnte auch am Donnerstag nicht trainieren und fällt gegen Bremen aus. Auch Rechtsverteidiger-Routinier Peter Pekarik (Wadenverletzung), der in Nouris erstem Spiel in Paderborn ein gutes Comeback hingelegt hatte, steht wie schon gegen Köln und Düsseldorf nicht zur Verfügung. Per Skjelbred (Infekt) soll am Freitag wieder mit der Mannschaft trainieren. Sollte der Norweger nicht komplett genesen, steht Santiago Ascacibar fürs defensive Mittelfeld bereit. Der Argentinier - als einziger der vier Winter-Neuzugänge wirklich erklärter Wunschspieler Klinsmanns - hatte in Düsseldorf eine Gelb-Sperre verbüßt. Er darf jetzt wieder loslegen, ebenso wie Innenverteidiger Niklas Stark (nach 5. Gelber Karte zurück im Kader), der den maladen Boyata vertreten könnte.

Steffen Rohr