Bundesliga (D)

Paul Lambert im kicker-Interview über den BVB und Schottland

Ex-Dortmunder über die verpasste Schale, Bellingham und Can

Lambert im Interview: "2:0 für Mainz - stimmt was mit deinem Telefon nicht?"

Analysiert das neue BVB-Team: Paul Lambert (Mi.).

Analysiert das neue BVB-Team: Paul Lambert (Mi.). Getty Images

Paul Lambert (54) ist für die Fans von Borussia Dortmund eine Identifikationsfigur. Obwohl der schottische Mittelfeldakteur nur eineinviertel Jahre für den BVB spielte (64 Pflichtspiele zwischen 1996 und November 1997), hat er sich in die Geschichtsbücher eingetragen. Lambert gehörte zur Dortmunder Mannschaft, die 1997 im Champions-League-Finale im Münchner Olympiastadion das damals favorisierte Juventus Turin 3:1 besiegte und damit einen der größten Erfolge der Vereinshistorie des BVB landete.

Im schwarz-gelben Starensemble war der Mittelfeldarbeiter mit seiner kämpferischen Spielweise gewissermaßen der Schmierstoff für den Motor. Abseits seiner sportlichen Leistung wurde der schottische Nationalspieler für seine unprätentiöse und bodenständige Art geliebt. Mit dem kicker sprach Lambert über die verpasste Meisterschaft des BVB, die Chancen für die kommende Spielzeit und die Renaissance der schottischen Nationalmannschaft.

Herr Lambert, haben Sie die verpasste Meisterschaft von Borussia Dortmund schon verdaut?

Ich war an diesem Samstag beim Ligaspiel in Schottland zwischen Celtic Glasgow und dem FC Aberdeen (5:0, Anm. d. Red.). Ich habe zu meiner Tochter gesagt: Lass mich bitte wissen, wie es bei Dortmund gegen Mainz steht. Dann sagte sie: 1:0 für Mainz, 2:0 für Mainz. Und ich habe zu ihr gesagt: Stimmt was mit deinem Telefon nicht? Ich konnte es nicht glauben. Dass Dortmund diese Meisterschaft vergeben hat, ist unglaublich. Sie hatten vorher zu Hause so gut gespielt und so viele Tore geschossen. Aber es ist passiert. Es war ein harter Tag für mich und alle Dortmunder, aber hoffentlich geht der Klub daraus gestärkt hervor.

"Am Ende waren es wohl die Nerven"

Was war Ihrer Meinung nach der Grund für das Versagen?

Ich weiß es nicht wirklich. Am Ende waren es wohl die Nerven. Jude Bellingham hat gefehlt, das war ein weiterer Grund. Offenbar war der Druck zu groß, obwohl die Mannschaft ja alle zwei Wochen zu Hause spielt. Vielleicht hat der eine oder andere Spieler einfach Angst gehabt.

Kann die verlorene Meisterschaft einen psychologischen Knacks innerhalb der Mannschaft geben?

Ich hoffe es nicht. Ich denke, die Spieler sind zu stark und zu erfahren, um sich davon nachhaltig aus der Bahn werfen zu lassen. Es wird vielleicht am Saisonanfang ein bisschen nachwirken, aber insgesamt glaube ich, dass die Mannschaft wieder okay ist.

"Guerreiro ist auch ein Verlust"

Borussia Dortmund hat Jude Bellingham, Raphael Guerreiro und Mahmoud Dahoud verloren und Ramy Bensebaini sowie Felix Nmecha geholt. Wie beurteilen Sie die Qualität des aktuellen Kaders?

Der BVB hat in Jude Bellingham seinen besten Spieler verloren. Guerreiro ist auch ein Verlust, während Dahoud zwar ein guter Spieler ist, aber nicht konstant gespielt hat. Ich hoffe, dass die Neuzugänge die Verluste einigermaßen ersetzen können und Dortmund ein starker Titelanwärter bleibt. Außerdem ist das Transferfenster ja noch etwas geöffnet.

Champions-League-Finale am 28.05.1997, Olympiastadion München, Borussia Dortmund - Juventus Turin 3:1

Der Triumph von München: Lambert (3.v.l.) und der BVB als CL-Sieger. picture-alliance / dpa

Auf welcher Position braucht Borussia Ihrer Meinung noch Verstärkung?

Ich denke, die Mannschaft ist auch jetzt stark genug. Bellingham ist ein Verlust, aber die Neuzugänge sind gut.

Bayern wird nicht nochmal eine Saison haben wie die vergangene. Dortmund muss darauf vorbereitet sein.

Paul Lambert

Emre Can ist neuer Kapitän beim BVB. Er spielt Ihre Position. Wie schätzen Sie ihn ein?

Er ist bisher meines Erachtens unter dem Radar gelaufen. Ihn zum Kapitän zu machen, war eine gute Entscheidung. Er kennt den Klub und er ist ein Anführer. Ich hoffe, er kann die Entwicklung der vergangenen Jahre fortsetzen.

Das kicker-Managerspiel:

Wie sehen Sie die Chancen für den BVB, in der neuen Saison Meister zu werden?

Bayern wird nicht nochmal eine Saison haben wie die vergangene. Dortmund muss darauf vorbereitet sein, aber der BVB hat definitiv wieder die Chance, Meister zu werden.

"Sportdirektor ist noch nichts für mich"

Sie haben zuletzt bis 2021 bei Ipswich Town als Trainer gearbeitet und sind seitdem ohne Verein. Was macht Paul Lambert zurzeit?

Ich bin in ganz Europa unterwegs, um Spiele und Trainingseinheiten anzuschauen. Ich habe zuletzt bei meinem ehemaligen Dortmunder Kollegen Paulo Sousa bei US Salernitana hospitiert, das war eine sehr gute Erfahrung. Außerdem war ich zuletzt für zehn Tage in Deutschland und habe den Zweitligastart verfolgt.

Streben Sie einen neuen Trainerjob an? Oder könnten Sie sich auch vorstellen, Sportdirektor zu werden?

Sportdirektor ist im Moment noch nichts für mich. Ich möchte wieder als Trainer arbeiten. Nachdem ich Ipswich verlassen hatte, brauchte ich eine Pause. Aber jetzt habe ich wieder Kraft getankt und kann loslegen.

Haben Sie einen Job in Deutschland noch als Option im Auge?

Auf jeden Fall. Ich habe meine Lizenz in Deutschland gemacht und noch viele Kontakte. Zudem nehme ich Deutsch-Unterricht.

Mittelfeldarbeiter Lambert 1997/98 gegen Jens Dowe und Sergej Barbarez (Mi.) vom FC Hansa Rostock

Saison 1997/98: Paul Lambert enteilt den Rostockern Jens Dowe und Sergej Barbarez (Mi.).

Was macht Ihr Deutsch?

Es ist okay. Ich verstehe Deutsch ganz gut, und das Sprechen wird wieder besser. Aber in den meisten Mannschaften wird ja mittlerweile Englisch gesprochen.

Wäre ein Job beim BVB ein Thema für Sie?

Das denke ich nicht. Es ist immer etwas Besonderes, wenn ich nach Dortmund komme - etwa, um mit der Legenden-Mannschaft zu spielen. Aber die Zeit ist vorangeschritten, deswegen ist das, glaube ich, kein Thema mehr.

"... deswegen sind wir nächstes Jahr in Deutschland dabei"

Die schottische Nationalmannschaft liegt in der EM-Qualifikation sehr aussichtsreich im Rennen. Was trauen Sie dem Team von Trainer Steve Clarke zu?

Die aktuelle Mannschaft ist die erste seit langer Zeit, die international konkurrenzfähig ist. Es wäre ein Desaster, wenn wir nicht zur EM in Deutschland kämen. Die Mannschaft ist stark, es sieht sehr gut aus, was die Qualifikation angeht (vier Spiele, vier Siege in Gruppe A, Anm. d. Red.). Ich kenne Steve aus gemeinsamen Zeiten, wir haben in Schottland zusammen beim FC St. Mirren gespielt. Er macht einen tollen Job.

Warum erlebt der schottische Fußball eine Renaissance in den vergangenen Jahren?

Spieler wie Andrew Robertson vom FC Liverpool, Scott McTominay von ManUnited oder Scott McGinn von Aston Villa sind sehr gute Spieler. Ebenso Kieran Tierney von Arsenal. Wir haben einfach wieder gute Jahrgänge, und deswegen sind wir nächstes Jahr in Deutschland auch dabei.

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