Oliver Kahn schaute mit versteinerter Miene auf den Rasen des Borussia-Parks, Hasan Salihamidzic richtete den Blick gen Boden und pustete fassungslos durch. Eine Spielphase, in der der FC Bayern derart an die Wand gespielt worden war, hatten sie wohl als Spieler wie als Verantwortliche nur äußerst selten erlebt. Nach 21 Minuten führte eine entfesselt aufspielende Borussia aus Mönchengladbach mit 3:0 gegen den Rekord-Pokalsieger - und das Ende der Fahnenstange war noch nicht einmal erreicht.
Bereits nach knapp 80 Sekunden zeigte sich auf dem Platz, was sich fast durch die komplette erste Hälfte ziehen sollte: Die Borussia war gedanklich schneller und den Gästen, die erneut ohne Coach Julian Nagelsmann an der Seitenlinie antraten, immer einen Schritt voraus. Nach einem schlampigen Davies-Pass war Koné wacher als Müller, Embolo kam leicht an Upamecano vorbei und ließ wiederum für Koné liegen - das frühe 1:0 für die Fohlen (2.).
Bayern von der Rolle: Bensebaini vollendet tollen Spielzug
Die Borussia nahm den Schwung mit, stürzte sich früh und aggressiv ins Pressing und gewann fast jeden wichtigen Zweikampf gegen einen Gegner aus München, bei dem die Abstände zwischen den Linien minütlich größer zu werden schienen - und der Unglaube auch. Zunächst hatte der Favorit noch Glück, dass Gladbach in Person von Hofmann erst eine Riesenchance selbst ausließ (9.) und Neuer kurz darauf glänzend gegen Embolo parierte (11.), zudem schoss Zakaria nach einer flachen Ecke nur knapp vorbei (12.).
Die Borussia spielte sich in dieser Phase regelrecht in einen Rausch - und sich das 2:0 dann herrlich heraus: Scally legte quer auf Embolo, der direkt Hofmann schickte. Dessen perfekte Hereingabe in den Rücken der Abwehr verwertete der heranrauschende Bensebaini gegen Neuers Laufrichtung (15.) - für den FC Bayern ging das alles viel zu schnell.
Bensebaini schnürt Doppelpack vom Punkt - Bayern offensiv harmlos
Den Münchnern unterliefen fast schon erschreckend ungewohnte Fehler - so auch Hernandez, dem der Ball im eigenen Strafraum zu weit vom Fuß sprang. Ein ungeschicktes Zweikampfverhalten gegen Embolo sowie einen etwas harten Pfiff des Schiedsrichters später gab es Elfmeter für Mönchengladbach, den Bensebaini frech verwandelte (21.) - höher hatte der FC Bayern in seiner Pokalhistorie zu einem so frühen Zeitpunkt noch nie zurückgelegen.
Völlig von der Rolle: Joshua Kimmich, Lucas Hernandez, Leon Goretzka. imago images/Eibner
Dabei war der Serienmeister eigentlich in Bestbesetzung angetreten. Der zuletzt erkältete Goretzka kehrte nach dem 4:0 gegen Hoffenheim wieder in die Startelf zurück, auch Sané und Davies spielten von Beginn an, Sabitzer, Musiala und Richards mussten auf die Bank. Auch Gladbach konnte wieder auf einen erkälteten Nationalspieler zurückgreifen, Ginter ersetzte nach dem 0:1 bei Hertha BSC Netz. Der Nationalverteidiger führte eine Gladbacher Defensive an, die dem Star-Ensemble aus München im ersten Durchgang tatsächlich keine einzige große Chance gewährte, ein recht harmloser Schuss von Gnabry (35.) war noch das höchste der Gefühle.
Embolo macht Bayern-Blamage perfekt
Zu Beginn des zweiten Durchgangs schien es kurz nach Bayern-Aufholjagd auszusehen, Goretzka (49.) und Gnabry feuerten gefährliche Abschlüsse in Richtung Sommer ab. Die aufkeimende Hoffnung der Münchner wurde aber schnell beerdigt - und das sogar, während der Favorit wegen einer Verletzung von Beyer in Überzahl spielte. Doch nach einem langen Befreiungsschlag von Ginter agierten Hernandez und vor allem der völlig indiskutabel verteidigende Upamecano dilettantisch und öffneten Embolo die Tür. Der an diesem Tag überragende Schweizer jagte die Kugel durch Neuers Beine und stellte auf 4:0 (51.).
Nun war der Rekordmeister wieder komplett von der Rolle, auch die frühzeitige Herausnahme des überforderten Upamecano änderte daran nichts. Im Gegenteil: Nachdem Zakaria noch komplett frei vor Neuer das fünfte Tor liegen gelassen hatte (54.), spielte der eingewechselte Coman einen hanebüchenen Querpass im Mittelfeld. Netz, für Beyer kurz zuvor ins Spiel gekommen, steckte durch auf Embolo, der mit einem präzisen Schuss ins lange Eck auf 5:0 stellte (57.).
Trotz bester Chancen: Bayern schafft den Ehrentreffer nicht mehr
Erst jetzt schaltete Mönchengladbach einen Gang zurück, doch der völlig gebrauchte Bayern-Abend setzte sich auch in der Offensive der Münchner fort. Gnabry (60.), Stanisic (68.), Kimmich (71.), Müller (74., 79.) und Tolisso (77.) vergaben teils beste Chancen, zumindest noch den Ehrentreffer zu erzielen und die höchste Niederlage der FCB-Pokalgeschichte zu verhindern. Doch die stand nach 90 Minuten fest - und das zweite Zweitrunden-Aus in Folge sowieso.
Der FC Bayern kann damit nur noch zwei Titel in dieser Saison gewinnen. In der Bundesliga geht es am Samstag (15.30 Uhr) beim 1. FC Union Berlin weiter. Gladbach spielt am Sonntag (17.30 Uhr) gegen den VfL Bochum - und ist an diesem Tag auch im Lostopf für die Auslosung des DFB-Pokal-Achtelfinals.