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Spilka: "Die Deutschen haben keine Freude mit uns in der EM-Gruppe"

ÖFB-U-19-Frauen-Teamchef im Interview

Spilka: "Die Deutschen haben keine Freude mit uns in der EM-Gruppe"

ÖFB-U-19-Frauen-Teamchef Hannes Spilka.

ÖFB-U-19-Frauen-Teamchef Hannes Spilka. GEPA pictures/Walter Luger

Deutschland, Niederlande und Gastgeber Belgien. Auf die ÖFB-U-19-Frauen wartet bei der EM-Endrunde (ab 18. Juli) eine Hammergruppe. Unter Teamchef Hannes Spilka haben Kapitänin Lainie Fuchs und Co. allerdings schon England und Italien (beide auswärts) und Deutschland (in Israel) geschlagen. Er  sagt: "Wir wollen bei der EM erstmals für Österreich Punkte einfahren. Wenn wir zum Auftakt gleich wieder Deutschland schlagen, kann das Turnier für uns in alle Richtungen gehen. Und wenn nicht, haben wir natürlich trotzdem noch alle Möglichkeiten."

U-19-Frauen-EM - Gruppe A

Im Interview mit dem kicker lässt Spilka in seine tägliche Arbeitsweise bei der Akademie St. Pölten einblicken und verrät unter anderem, warum seine Auswahl ihren Gegnerinnen bei der Endrunde in jedem Fall etwas vortanzen wird.

Herr Spilka, wie sind Sie als ehemalige Kicker und Männer-Trainer zum Frauenfußball gekommen?

Durch Zufall. Ich war lange Co-Trainer unter Martin Scherb beim SKN St. Pölten. Nachdem er beurlaubt wurde, war mir relativ schnell klar, dass ich mich verändern möchte und der damalige SKN-Manager Christoph Brunnauer hat gemeint, dass die Frauen, damals noch FSK Spratzern-St. Pölten, gerade einen Trainer suchen und ich mich doch mal mit deren Präsident Wilfried Schmaus treffen kann. Wir haben uns dann ein Match der zweiten Mannschaft angeschaut und dort spielte Marina Georgieva, die jetzt bei Paris Saint-Germain ist, und ich weiß noch genau wie ich auf der Tribüne perplex zum Schmausi gesagt habe: "Bist du deppert, ist die gut". Er hat dann gemeint, dass er nicht mehr Zweiter sondern Erster werden und in die Champions League will. Ich hab' zugegeben, dass ich mit Frauenfußball bislang nicht viel am Hut hatte, es aber gerne probieren würde. Nach ein paar Tagen war mir klar, dass das ein super Job ist.

Drei Cupsiege und zwei Meistertitel später sind Sie dann als Frauen-Chefcoach zum SV Horn und später zu Austria Wien/USC Landhaus gewechselt. Seit knapp zwei Jahren sind Sie Teamchef der ÖFB-U-19-Frauen. Was sind die wesentlichen Unterschiede in der Betreuung von Männern und Frauen?

Die Herangehensweise ist komplett anders. Die Burschen kommen und wollen das Match gewinnen. Den Frauen ist der soziale Zusammenhalt am wichtigsten. Die wollen Freundinnen sein, sich aufeinander verlassen können und gegenseitig unterstützen. Wenn das alles passt, kannst du über diverse Aufgabenverteilungen reden und langsam anfangen daran zu denken, wie du erfolgreich Fußall spielen kannst.  Wenn du ein Match verlierst, ist das zwar nicht egal, aber wenn der Zusammenhalt passt, kann man sofort geordnet und normal weiter machen. Wenn es zur A-Nationalmannschaft hinaufgeht, verschieben sich die Grenzen ein wenig. Aber: Ich behaupte, dass die Französinnen jahrelang die beste Nationalmannschaft hatten. Gewonnen haben sie nichts, weil es im Team bekanntermaßen nicht gepasst hat.

Da haben sie ja bei der Akademie St. Pölten die idealen Voraussetzungen, können von Montag bis Donnerstag mit Ihren Schützlingen zusammen arbeiten.

Lainie Fuchs (links) ist schon seit Juni 2021 eine Stammkraft im ÖFB-U-19-Frauen-Aufgebot. GEPA pictures/Walter Luger

Das schon, aber eines ist auch klar: Die Bundesliga-Vereine wollen am Wochenende voll fitte, spritzige Spielerinnen zurückbekommen. Wir müssen aber auch die langfristige Entwicklung der Spielerinnen im Blick haben. Jetzt spielt vielleicht die eine schon am Freitagabend in Vorarlberg und die andere erst am Sonntag gleich um's Eck in Neulengbach. Darauf gilt es individuell Rücksicht zu nehmen. Das sprechen wir mit den Trainern ab und lassen auch die Spielerinnen zu Wort kommen. Bei uns selbst kann es natürlich auch zu Härtefällen kommen, dass ich eine voll motivierte Spielerin bei der täglichen Arbeit habe, der ich dann als Teamchef sagen muss, dass es sich für die EM leider knapp nicht ausgeht für sie. Wir haben mit Anna Wirnsberger, Julia Keuz und Christina Schönwetter aber auch zwei Spielerinnen von Sturm Graz im Kader mit dabei, die nicht in der Akademie waren, von der Austria auch noch die Jovana Cavic und natürlich die Legionärinnen Amelie Roduner von Bayern München und Naika Reissner von Union Berlin. Bei der Gelegenheit möchte ich sagen, dass wir auch sehr viele sehr reife Spielerinnen haben. Meine Kapitänin Lainie Fuchs wagt beispielsweise den Sprung in die USA nach Pittsburgh und hat wie ihre SKN-Kollegin Valentina Mädl schon mehrere Champions-League-Gruppenspiele absolviert.

Seit dem Meisterschaftsende können Sie mit ihren Co-Trainern Bettina Neuhold und Alfred Niefergall aber alle Weichen selber stellen?

Ganz so ist es auch wieder nicht. Viele hören dieser Tage mit der Schule auf, fahren mit den Eltern in den Urlaub oder machen eine Maturareise. Die bekommen von uns ein Athletik-Pogramm mit. Ich habe ihnen ins Gewissen geredet, dass sie alles einhalten, auch die freien Tage! Sie sollen ja Spaß haben. Zwei Trainingslehrgänge wie wir sie machen, finde ich genau richtig. Die Deutschen haben drei Lehrgänge und früher angefangen. Deren Spielerinnen sehen nach einer ohnehin schon langen Saison weiterhin kaum ihre Familie und ihre Freunde. Das ist zu viel, glaube ich, zumindest für uns. Regeln gibt es natürlich, aber direkte Vorschriften gibt es bei uns fast keine. Die Spielerinnen sind erwachsen und für ihr Leben selbst verantwortlich. In der Hinsicht hat es bei uns noch nie irgendwelche Probleme gegeben.

Topfavorit Deutschland ist gleich Ihr Auftaktgegner. Brisanter geht es ja wohl kaum?

Genau. Da gibt es eine Vorgeschichte. Letztes Jahr im März hat die U 17 im letzten EM-Gruppenspiel ein Remis gegen Deutschland zum Weiterkommen gebraucht und nach einer 2:0-Führung durch drei Gegentreffer aus dem Nichts in vier Minuten noch verloren. Noch dazu in Überzahl. Wir sind raus und Deutschland ist dann Europameister geworden. Der Stachel saß extrem tief. Ich habe dann zu meinem Jahrgang gesagt: "Jetzt wünschen wir uns Deutschland in der Quali, die schlagen wir." Genauso war es dann auch in Israel im November.

U-19-EM-Qualifikation, Gruppe 6

Da werden die Deutschen jetzt aber Respekt haben?

Getan haben sie damals so, als wäre das für sie das Peinlichste der Welt, dass sie gegen uns verloren haben. Ich weiß aber hundertprozentig, dass die Deutschen keine Freude haben, dass sie uns jetzt wieder in der Gruppe haben. Natürlich wissen wir aber auch, dass sie eine extreme Breite an Top-Spielerinnen haben und mit einer guten Einstellung an die Aufgabe herangehen. Deutschlands U-19-Frauen-Auswahl ist traditionell die beste in ganz Europa. Die haben den Titel schon sechs Mal geholt, das letzte Mal ist aber lange her, das war 2011, dementsprechend heiß sind sie auf den Titel.

Ein einstudierter Tanz von Ihrer Truppe in Israel hat auch schnell die Runde gemacht. Was hat es damit auf sich?

Nach dem Freundschaftsspiel gegen Dänemark (0:3) sind ein paar Spielerinnen zu uns gekommen und haben gesagt, dass es gerade nicht hundertprozentig passt. Wir haben uns zusammengesetzt und gerätselt, wo wir noch Fäden ziehen können. Alfred Niefergall hatte die blendende Idee, den in Wien lebenden brasilianischen Tanztrainer Anderson da Silva für unser Trainingslager in Lindabrunn zu engagieren. Die Mädels haben sich den Song "Waving Flag" von der WM 2010 ausgesucht und wir alle haben miteinander unseren Tanz einstudiert. Es hat sich aber noch nicht richtig gut angefühlt. Ich habe dann gesagt, dass der Tag kommen wird, an dem der Tanz für uns kein Stress mehr ist, sondern eine Leidenschaft, die uns Halt und Sicherheit gibt, und an dem Tag werden wir ihn dann aufführen und erfolgreich sein. Als wir dann in unserer EM-Quali-Gruppe gegen die Ukraine Remis gespielt haben und gegen Israel gewonnen haben sind wir fürs Aktivieren gegen Deutschland im Hotel in den Hof hinaus und haben ihn getanzt. Dann noch einmal und noch lauter, dann noch andere Tänze. Nach und nach sind die Hotelfenster aufgegangen und die Israelis und die Deutschen haben uns, teils verwundert, zugeschaut. Als wir dann fertig waren, ist eine Spielerin zu mir gekommen und hat gesagt: "Danke Coach, und jetzt schlagen wir die Deutschen!"

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