Bundesliga

125 Jahre Rapid: Die besten Elf in dunklen Zeiten

Teil 2: Von 1924 bis 1949

125 Jahre Rapid: Die besten Elf in dunklen Zeiten

Rapid holte auch im zweiten Vierteljahrhundert acht Meistertitel.

Rapid holte auch im zweiten Vierteljahrhundert acht Meistertitel. SK Rapid

Nach den ersten acht Meistertiteln in den ersten 25 Jahren lieferte Rapid auch in seinem zweiten Vierteljahrhundert acht Meistertitel ab. Aber nicht nur im Vereinsleben gab es tiefe Einschnitte. 1938 starb im Alter von nur 50 Jahren "Mr. Rapid" Dionys Schönecker, der bisher der Erfolgsgarant der Grün-Weißen gewesen war. Österreich war da bereits ein Teil Hitler-Deutschlands. Als Meister der Ostmark gewann Rapid 1941 den deutschen Meistertitel. Die Mannschaft, die damals Schalke nach 0:3-Rückstand 4:3 schlug, bildet den Großteil der besten Rapid-Elf der Jahre 1924 bis 1949.

Rudi Raftl (Tor, 1930-44)

Das Handtuch, das er angeblich immer ins Tornetz gehängt hat, um sich seine Hände trocken zu reiben, ist auf dem kurzen Film vom Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1941 auf YouTube nicht zu sehen, auch seine tollkühnen Paraden, von denen die Wiener Presse jahrelang schwärmte, wurden von den Kameras bei diesem legendären 4:3-Erfolg gegen Schalke nicht eingefangen. Aber eines lässt sich nach Betrachten der Bilder sagen: Die Behauptung eines österreichischen Fußball-Chronisten aus den 1970er-Jahren, dass Raftl mit 1,60 Meter einer der kleinsten Klassetorhüter gewesen sein soll, gehört ins Reich der Fabeln. Bei Rapid war er gut zehn Jahre lang unumstrittene Nummer eins, im Nationalteam musste er meist Peter Platzer den Vortritt lassen, so auch bei der WM 1934. Nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland und dem Verbot des Profi-Fußballs war er Schriftsetzer in der Staatsdruckerei am Rennweg. Bei der WM 1938 aber war er der Torhüter Deutschlands, nachdem Hans Jakob nach dem plötzlichen Tod seiner kleinen Tochter der Endrunde in Frankreich ferngeblieben war. Im ersten Spiel gegen die Schweiz zählte Raftl noch zu den Besten und rettete ein 1:1, beim dadurch notwendig gewordenen Wiederholungsspiel versagten ihm aber die Nerven und Favorit Deutschland schied mit 2:4 sang- und klanglos aus.

125 Jahre Rapid

Roman Schramseis (Abwehr, 1926-33)

Der Blondschopf kam ebenfalls von der Hertha und hat aus Favoriten alles mitgebracht, was einen wirkungsvollen Verteidiger ausmacht - forsches Tackling, Schnelligkeit, Körperlichkeit und Beidbeinigkeit. Klar, dass er bald auch im Team eine Fixgröße war und mit Pepi Blum das Original-Verteidigerpaar des Wunderteams bildete. Schramseis schonte weder sich noch den Gegner, was ihm eine ganze Liste von Verletzungen eintrug. Mit 27 war seine Karriere nach einer weiteren Knieverletzung praktisch zu Ende. Als ein Comeback-Versuch 1933 missglückte, bekam er von Rapid die "Fristlose", weil er am Spiel einer Wirtshaustruppe teilnahm. In der Presse warf man ihm vor, nicht ehrgeizig genug an seinem Comeback gearbeitet zu haben. Auch in Rouen (1933/34) und bei Wacker (1934/35) kam seine Karriere nicht mehr in Schwung, weshalb er 30-jährig seine aktive Laufbahn beendete.

Leopold Gernhardt (Abwehr, 1939-54)

Der "Poldi" aus Breitensee war einer der vielseitigsten Spieler der Rapid-Geschichte. Es gab Saisons, da traf er als Mittelstürmer zweistellig, beim 4:3-Sieg gegen Schalke 1941 gab er den Mittelläufer, weil Johann Hofstätter ausgefallen war. Beim Stand von 0:3 fragte er vom Schalker Kreisel schwindlig gespielt seinen Nebenmann „Zapferl" Wagner: "Hast du schon einen Ball berührt? Ich nicht." Kurz darauf, bei 1:3, berührte er die Kugel doch - als er sie von der Linie kratzte und damit dafür sorgte, dass die Aufholjagd weitergehen konnte. Von jenem Spiel um die Deutsche Meisterschaft berichtete er noch im hohen Alter, dass bereits alles für den Sieg Schalkes vorbereitet gewesen war. So soll die Viktoria, der Siegerpokal, bereits zur Pause (Stand 2:0 für Schalke) mit blau-weißen Bändern, den Farben Schalkes, geschmückt gewesen sein. Von 1949 bis 1954 war der 27-malige Nationalspieler Kapitän Rapids und wurde in dieser Zeit meist als Verteidiger eingesetzt. In seinen 15 grün-weißen Jahren gewann er neben dem deutschen auch sieben österreichische Meistertitel.

Die Karten-Sünder der Herbstsaison

Johann Luef (Mittelfeld, 1926-37)

Wenn es um Vielseitigkeit ging, könnte Johann Luef seinem Nachfolger Leopold Gernhardt als Vorbild gedient haben. Gekommen war er 1926 als Goalgetter des SC Baumgarten, auch bei Rapid stellte er sich mit 15 Toren in nur zwölf Spielen ein, wurde dann wie im Nationalteam aber meist als Läufer eingesetzt, musste immer wieder aber auch als Verteidiger aushelfen. Einmal vertrat der "Schani" sogar Rudi Raftl im Tor. Sein frühes Tor gegen Sparta Prag ebnete Rapid 1930 im dritten Anlauf den Gewinn des Mitropacups, dem internationalen Klubbewerb, der als Vorläufer des Europacups gilt. Während des Krieges führte er Vorwärts Steyr als Spielertrainer zu beachtlicher Stärke. Im April 1945 erlag er in einem Lazarett in Ostpreußen den schweren Verletzungen, die er als Soldat an der Front erlitten hatte.

Josef Smistik (Mittelfeld, 1926-37)

Als er aus Stadlau zu Rapid kam, war er die "Zuwaag’" zu seinem Bruder Franz, der Wondrak als rechten Flügel ablösen sollte. Von Beruf war er "Mitfahrer" und hat Bier ausgefahren, im Mittelfeld Rapids war er aber bald alles andere als ein Mitläufer. Während Franz in neun Rapid-Jahren nur auf 54 Einsätze kam, machte Pepi sich den Posten des Mittelläufers zu eigen, der nach dem Abgang von Seppl Brandstetter verwaist war. Kraftvoll und voller Kampfgeist wie sein Vorgänger brachte er ein zusätzliche Note ein: "Er war der genaue Zuspieler, der durch kluge Überlegung oft und oft das Feld beherrscht", erkannte die "Kronen Zeitung" 1941. Da hatte er die große Karriere, die ihn zum einzigen Stammspieler Rapids im Wunderteam und zum WM-Vierten 1934 gemacht hatte, schon hinter sich und ließ sie beim FAC (und danach noch in Krems) auslaufen. Dass er 1958/59 die Sektionsleiterstelle der Austria bekleidete, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er einer der Großen der Rapid-Geschichte war.

Franz Wagner (Mittelfeld, 1931-49)

Unter seinem Vornamen Franz war der Rapid-Läufer kaum bekannt, alle Welt nannte ihn nur "Zapferl" Wagner. Und das kam so: Rapid hatte in den 1930er-Jahren eine (auch körperlich) sehr große Mannschaft mit Spielern wie Binder, Smistik, Weselik oder Kaburek. Die Ausnahmen bildeten der kleine, fast filigrane Wagner, Jestrab und Ostermann. Und das machten die Kollegen auch in den Spitznamen deutlich, die sie ihnen gaben: Wagner hieß bei seinen Kameraden "Zapferl", Jestrab "Stutzerl" und Ostermann "Haserl". Dass Wagner bei Rapid landete, hatte er Motzl Kaburek zu verdanken, der mit ihm bei Cricket gespielt hatte. Bekannt war das "Erdberger Kind" für seine genauen Longpasses und seine gefürchteten Einwürfe. "Zapferl" blieb auch nach seiner aktiven Karriere Rapid treu, war lange Zeit Rapids Jugendchef und förderte spätere Rapid-Größen wie Rudi Flögel, Walter Glechner und Schani Skocik. 1955/56 half das Ehrenmitglied auch als Trainer aus und holte zu seinen sieben Meistertiteln als Spieler noch einen achten dazu.

Johann Pesser (Flügelstürmer, 1931-42)

Er war ein kräftiger Metallarbeiter, den Dionys Schönecker von der Graphia holte, wo er noch linker Verbinder spielte. Bei Rapid wechselte er auf den Flügel und fand nicht nur im ÖFB-Team Berücksichtigung, sondern stürmte bei der WM 1938 auch für Deutschland. In der "Hölle vom Prinzenpark" kam er beim 1:1 gegen die Schweiz allerdings zu zweifelhaftem Ruhm, als er sich in der Verlängerung für eine Serie von Fouls mit einem Tritt ans Schienbein seines Gegenspielers Minelli revanchierte und daraufhin als erster DFB-Spieler bei einem WM-Spiel ausgeschlossen wurde. Auf dem Weg in die Kabinen wurde er mit faulem Obst, Tomaten und Eiern beworfen. Nach vier Meistertiteln als Spieler sicherte er Rapid zwischen 1945 und 1953 als Trainer weitere vier Titel. Seine Rapid-Elf wurde von der internationalen Presse als die beste Klubmannschaft Europas gefeiert, nach seinem Abgang aus Hütteldorf verhalf er auch dem Sport-Club (zweimal) und der Admira noch zu Meisterehren.

Franz Weselik (Sturm, 1923-34)

Wie Pepi Uridil kam Franz Weselik von Blue Star, von der Energie eines Uridil konnte bei ihm allerdings keine Rede sein. Der Lange war ein wenig ungelenk, hölzern, ja langsam - und weil die alten Rapidler Schmäh hatten, tauften sie den Neuling deshalb gleich "Blitz". Und er hat dann auch dafür gesorgt, dass es vorne oft einschlägt. In 228 Spielen für Rapid schoss er 217 Tore und wurde 1930 auch Torschützenkönig. Noch besser war seine Bilanz im Nationalteam: Da brauchte er für 13 Tore nur elf Spiele, wobei er als einziger österreichischer Teamspieler in seinen ersten zehn Länderspielen jedesmal mindestens einmal traf!

Franz Binder (Sturm, 1930-1949)

Der St. Pöltner, den die ganze Welt als "Bimbo" Binder kannte, war einer der gefürchtetsten Torjäger seiner Zeit. Dass er Tornetze zerschoss, soll nicht bloß Legende sein. Allein in Bewerbsspielen traf er 395-mal für Rapid, was ihn zum ewigen Rekord-Torschützen der Grün-Weißen macht. Insgesamt soll er (je nach Zählweise) auf über 1.000 Tore gekommen sein. Sechsmal war er Torschützenkönig, eine Marke, die bis heute unerreicht blieb. Unsterblich gemacht hat er sich aber mit seinen drei Final-Toren gegen Schalke, mit denen er das Spiel fast im Alleingang noch gedreht hat. Ein Platz im "Rapid-Team des Jahrhunderts" war ihm damit sicher.

Josef Bican (Sturm, 1931-34)

Drei Jahre lang stürmte Pepi Bican an der Seite von "Bimbo" Binder - das muss in etwa so gewesen sein, als würden Lionel Messi und Cristiano Ronaldo miteinander auf Torjagd gehen. Zusammen haben sie in diesen drei Saison für 101 Meisterschaftstore gesorgt (Binder 51, Bican 50), mehr als ein zweiter Platz hat dennoch nie herausgeschaut. Am Ende seiner Karriere übertraf Bican, der sich gleich in seinem ersten Spiel für Rapid mit vier Toren eingestellt hat, Binder in der Gesamtzahl seiner Tore (in offiziellen Spielen waren es 1.468) sogar noch. Der IFFHS ehrte ihn dafür 1997 als den "weltbesten Torschützen des 20. Jahrhunderts". Der in der Quellenstraße in unmittelbarer Nähe zu Matthias Sindelar aufgewachsene Favoritner mit tschechischen Wurzeln hatte jedoch bald das Interesse der Prager Slavia geweckt. Ein Streit mit Schönecker war die Folge, der ließ ihn zwar nicht nach Prag, aber zunächst zur Admira ziehen, die Bican zu zwei Meistertiteln schoss. Erst 1937 durfte er zur Slavia und wurde dort zur Legende. Bis 1948 feierte er zehnmal den Titel des Torschützenkönigs. Heute trägt der von einer tschechischen Astronomin entdeckte Asteroid 10634 ihm zu Ehren den Namen "Pepibican".

Ferdinand Wesely (Linksaußen, 1920-31)

"Wesely, Wesely", schrien die Rapid-Anhänger wie sie Jahrzehnten später "Antonin, Antonin" riefen, wenn es darum ging, einen Freistoß zu treten. Auch von den 17 Toren, die er in 40 Länderspielen für Österreich erzielte, entstammten nicht wenige Freistößen. "Lange Zeit galt er als primitiv …, aber wenn das berühmte linke Bein ausholt, dann fühlt jeder Österreicher ,grün’", formulierte 1927 "Die Stunde". Aber der "Ferdl" war nicht nur gefürchtet für seine Freistöße, er galt überhaupt als der schusskräftigste Flügelstürmer, den Österreich je hervorgebracht hat (121 Tore in 206 Meisterschaftsspielen), weshalb man ihn auch "Schrapnell-Ferdl" nannte. Als solcher war er freilich nur eine Kopie, der echte "Schrapnell-Ferdl" hieß Winkler und stürmte ein paar Jahre früher für Rudolfshügel. In seiner Blütezeit war Wesely (laut Taufbuch eigentlich Vesely), der seine Karriere beim Rennweger SV begann, eine kontinentale Berühmtheit und einer der erfolgreichsten Flügelstürmer auf dem Festland. Seine Popularität in Wien war so groß, dass ihm bei seiner Hochzeit 1929 tausende Menschen (angeblich 10.000) vor der Karlskirche zujubelten.

Horst Hötsch