Handball

Favorit Frankreich entzaubert: Schweiz im Berliner Party-Modus

Rekord-Weltmeister holt im zweiten Vorrundenspiel nur ein Remis

Favorit Frankreich entzaubert: Schweiz im Berliner Party-Modus

Erlösung: Andy Schmid holte mit den Schweizern gegen Frankreich einen Punkt.

Erlösung: Andy Schmid holte mit den Schweizern gegen Frankreich einen Punkt. Sascha Klahn

Aus Berlin berichtet Maximilian Schmidt

Dass die Schweizer Wut im Bauch haben würden, da zweifelte am Sonntagabend in Berlin keiner dran. So viel hatten sich die Eidgenossen für das Weltrekordspiel in Düsseldorf vorgenommen - und so gut wie nichts davon konnten sie umsetzen. Nach dem ernüchternden 14:27 gegen die DHB-Auswahl war Wiedergutmachung angesagt.

Und das Gesicht, das die Mannschaft von Trainer Michael Suter vom Anpfiff weg zeigte, war ein ganz anderes. Angetrieben von zahlreichen Fans in der Halle, die mit "Hopp Schwiiz"-Rufen auf sich aufmerksam machten, bot der Außenseiter dem Rekord-Weltmeister vom Start weg die Stirn. Speziell das Zusammenspiel mit den beiden Kreisläufern aus der Bundesliga - im Auftakt-Spiel komplett ohne Treffer geblieben - klappte hervorragend.

2. Spieltag in Gruppe A

Lukas Laube vom TVB Stuttgart erzielte alleine in der ersten Hälfte sechs Treffer, Lucas Meister vom SC Magdeburg einen weiteren. Zum Vergleich: Im gesamten ersten Durchgang gegen Deutschland waren die Eidgenossen zu acht Toren gekommen. 

Den besseren Torhüter hatten ebenfalls die Schweizer auf ihrer Seite, Kapitän Nikola Portner vom SC Magdeburg entschärfte im ersten Abschnitt fünf Bälle (28 Prozent Fangquote).

Mem "funktioniert" - und Bellahcene auch sofort

Bei Frankreich "funktionierte" Linkshänder Dika Mem mit vier Toren noch am besten. Weil Andy Schmid und Laube im Zusammenspiel Les Experts den Zahn zogen, musste Nationaltrainer Guillaume Gille einen Torhüter-Wechsel vornehmen. Und der zündete: Kiels Samir Bellahcene kam mit 28 Jahren zu seinem Turnier-Debüt und parierte direkt die ersten beiden Bälle auf sein Tor. Remi Desbonnet hatte zuvor gerade einmal zwei der 14 Bälle auf seinen Kasten halten können.

Um ein Haar hätte Bellahcene seiner EM-Premiere die Krone aufgesetzt, doch sein Wurf aufs verwaiste Schweizer Tor prallte an den rechten Innenpfosten. Weil Manuel Zehnder, den Bundestrainer Alfred Gislason wegen seiner doppelten Staatsbürgerschaft auch fürs DHB-Team hatte gewinnen wollen, aber noch einen Kunstwurf gegen den THW-Keeper auspackte, ging es mit einem 14:14 in die Pause.

"Jetzt schon eine der besten Geschichten der Heim-EM"

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Nach dem Seitenwechsel entwickelte sich vor erneut 13.571 Zuschauern in der ausverkauften Mercedes-Benz Arena in Berlin ein Spiel der Phasen. Nach einem kurzen Zwischenspurt schlug die Schweiz zurück, der nötige Videobeweis brachte Klarheit über Keeper Portners erstes EM-Tor (16:16, 35.).

Im Torhüter-Duell dominierte nun aber Bellahcene, der nach 43 Minuten sechs Paraden bei elf gegnerischen Würfen und die überragende Fangquote von 56 Prozent aufwies. Beim 20:16 von Kreisläufer Ludovic Fabregas schien die Partie so langsam klar in eine Richtung zu fließen, doch die Schweizer wollten sich mit der Niederlage nicht einfach abfinden. Beim 21:22 von Manuel Zehnder war der Anschluss wiederhergestellt (46.).

Spielmacher Zehnder jetzt "on fire"

Und der Spielmacher von Bundesliga-Aufsteiger ThSV Eisenach, den der HC Erlangen nach der Saison gerne zurückholen würde, war nun komplett "on fire". Nach dessen Treffer zum 24:24 drückte Gille den Buzzer für seine nächste Auszeit (54.). Es ging hin und her, ein echtes Herzschlagfinale bahnte sich an.

Weil Melvyn Richardson einen Siebenmeter nur an den linken Innenpfosten donnerte, hatte die Schweiz die große Chance zum Sensationssieg. Auch wenn der allerletzte Wurf allerdings nicht reingehen wollte, stand doch die dicke Überraschung. Die Auszeichnung als "Player of the Match" hatte sich Kreisläufer Laube angesichts von neun Toren redlich verdient.

Zum Abschluss der Vorrunde geht es für Frankreich nach dem Kraftakt nun am Dienstag (20.30 Uhr) an gleicher Stelle gegen Gastgeber Deutschland vermutlich um den Gruppensieg. Die Schweizer wollen mit einem Sieg über Nordmazedonien zweieinhalb Stunden zuvor ihre Restchance aufs Weiterkommen wahren.

Schweiz - Frankreich 26:26 (14:14)

Schweiz: Portner 1 (9 Paraden, davon 2 Siebenmeter), Grazioli - Laube 9, Schmid 5, Meister 3, M. Zehnder 3, Rubin 2, S. Zehnder 2, Raemy 1, Ben Romdhane, Gerbl, Kusio, Lier, Maros, Tynowski, Willecke

Frankreich: Bellahcene (11 Paraden), Desbonnet (2 Paraden) - Mem 7, Fabregas 6, Remili 4, Descat 3/1, Nahi 2, Prandi 2, Richardson 2/2, L. Karabatic, N. Karabatic, Konan, Kounkoud, N'Guessan, Porte, Tournat

Schiedsrichter: Amar Konjicanin / Dino Konjicanin (Bosnien-Herzegowina)
Zuschauer: 13.571 (ausverkauft)
Strafminuten: 6 / 4
Disqualifikation: - / -

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